Baumwolle: Darum ist sie schlecht für die Umwelt

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Droht das Aus?Baumwolle: Gut für die Haut – schlecht für die Umwelt

In der EU hat Baumwolle ab 2030 keinen Platz mehr. Doch was ist an der so angenehm zu tragenden Naturfaser Baumwolle dermassen schlecht?

Baumwolle wurde um 4000 v. Chr. erstmals als Nutzpflanze in Indien angepflanzt. Auch in Südamerika dürfte damals bereits Baumwolle angebaut worden sein.
Mit dem Vorstoss Alexander des Grossen nach Indien 327 v. Chr. beginnt der Handel mit Baumwolle nach Europa. Bei den Griechen und Römern wird Baumwolle zum Luxusgut für den Adel. Arabische Kaufleute nehmen den Handel im 1. Jahrhundert n. Chr. auf. Dort wird Baumwolle dank ihrer Funktionalität schnell zur Alltagskleidung.
In Spanien, Sizilien und Kalabrien gab es seit dem 8. Jahrhundert Baumwollanbau. In den italienischen Städten entwickelte sich in den Jahren von 1000 bis 1300 eine eigene Baumwollindustrie durch den Handel mit arabischen Ländern.
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Baumwolle wurde um 4000 v. Chr. erstmals als Nutzpflanze in Indien angepflanzt. Auch in Südamerika dürfte damals bereits Baumwolle angebaut worden sein.

Wikimedia Commons/PD

Baumwolle: Darum gehts

  • Der Anbau von Baumwolle belastet die Umwelt stark.

  • Der Verbrauch an Wasser und Pestiziden ist sehr hoch.

  • Das Recycling von Baumwolle ist herausfordernd und oft ineffizient.

  • Bio-Baumwolle ist umweltfreundlicher, benötigt jedoch mehr Fläche.

Sie ist angenehmer zu tragen als praktisch jede andere Textilfaser, trotzdem dürfte es die Baumwolle in Europa künftig schwer haben. Bis 2030 sollen in der EU 50 Prozent aller Textilien rezyklierbar und 25 Prozent vollständig kreislauffähig sein. Für Baumwolle sind diese Vorgaben kaum umsetzbar.

Denn Baumwolle ist kaum wiederverwertbar. Doch nicht nur beim Recycling sieht es für die Baumwolle schlecht aus. Die Probleme für die Umwelt fangen schon beim Anbau von Baumwolle an.

Wasserverbrauch

Für die Produktion von Baumwolle, deren Anteil am globalen Markt für Textilfasern rund 25 Prozent beträgt, werden enorme Mengen von Wasser benötigt. Trotzdem wird Baumwolle bevorzugt in trockenen Gebieten angebaut, da sie je nach Wachstumsphase sehr empfindlich auf Feuchtigkeit reagiert. Damit sie dort gedeiht, müssen Baumwollfelder bewässert werden, was zu einem enormen Wasserverbrauch führt.

So werden für die Herstellung und Verarbeitung von einem Kilogramm Standardbaumwolle etwa 11'000 Liter Wasser benötigt. In trockenen Zonen, wie etwa in den Anbaugebieten in Indien, können daraus bis zu 23’000 Liter werden. Die hohe Wassernutzung ist besonders problematisch, da viele Anbaugebiete sowieso schon an Wasserknappheit leiden.

Pestizide

Die Baumwollpflanze ist enorm anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Kein anderes landwirtschaftliches Produkt wird so intensiv mit Pestiziden behandelt wie die Baumwolle. 16 Prozent aller Insektizide weltweit werden auf Baumwollfeldern versprüht. Dabei machen diese nur 2,5 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Fläche aus. Der Einsatz riesiger Mengen Chemikalien sorgt auch für einen grossen CO₂-Fussabdruck. Weltweit verursacht der Baumwollanbau jährlich 220 Millionen Tonnen CO₂.

Höher als bei jeder anderen landwirtschaftlichen Kulturpflanze ist auch der Prozentsatz an gefährlichen Pestiziden: Während zum Beispiel 25,8 Prozent der weltweit bei Getreide eingesetzten Pestizide als «hochgefährlich» gelten, sind es bei Baumwolle 69,1 Prozent. Pro Saison wird Baumwolle durchschnittlich 20 Mal mit Pestiziden besprüht. Durch Regen und Bewässerung sickern die Substanzen in den Boden zum Schaden von Menschen und Natur.

Biodiversität

Der hohe Wasserverbrauch und der intensive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gefährdet zusammen mit dem Anbau in grossen Monokulturen auch die Biodiversität in den Anbaugebieten.

Gentechnisch veränderte Pflanzen

Um die Baumwollpflanze widerstandsfähiger zu machen, wurden mithilfe der Gentechnik Sorten erschaffen, die Schädlinge wie etwa den Baumwollkapselbohrer selbst abwehren. Das funktionierte anfänglich. Doch die Schädlinge haben sich angepasst und andere kamen dazu. Sie müssen mittlerweile mit noch stärkeren Insektiziden bekämpft werden.

In den USA kommen gentechnisch veränderte Baumwollpflanzen zum Einsatz, die gegen den chemischen Unkrautvernichter Roundup (Glyphosat) immun sind. Diese müssen aber pro Saison bis zu 30 Mal mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Mittlerweile sind rund 75 Prozent aller weltweit konventionell angebauten Baumwollpflanzen gentechnisch verändert. Diese stehen zudem im Verdacht, zu einem Verlust der Biodiversität beizutragen.

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Recycling

Zwar wird bereits heute Baumwolle rezykliert. Das mechanische Verfahren funktioniert so, dass das Baumwollgewebe bis auf die einzelnen Fasern geschreddert wird. Das resultierende Produkt ist zwar weiterhin Baumwolle, hat aber deutlich kürzere Fasern. Diese sind nur beschränkt für die Produktion von neuen Kleidern verwertbar.

Der Anteil von Recycling-Baumwolle in Kleidern beschränkt sich heute meist auf nur 20 Prozent. Abhilfe könnte eine von der Schweizer Firma Säntis entwickelte Technologie schaffen, bei der rezyklierte Baumwollfasern eine Länge von 24 bis 26 Millimeter erreichen, statt wie bis anhin 15 Millimeter.

Zudem werden neue Verfahren entwickelt, in denen Zellulose auf chemischem Weg aus gebrauchter Baumwolle herausgelöst wird. Aus dem so entstandenen Zellstoff können neue Viskosegarne gesponnen werden, die sich ähnlich wie Baumwolle anfühlen und zu Kleidern verarbeitet werden können. Diese Verfahren werden aber noch nicht in industriellem Massstab genutzt und gefördert, weshalb die Recyclingquote insgesamt gering ist.

Ein weiterer Stolperstein für effizientes Recycling ist die Tatsache, dass die wenigsten Textilabfälle und Alttextilien aus 100 Prozent Baumwolle bestehen. Häufig wird Baumwolle ein geringer Anteil Kunstfaser wie etwa Elasthan beigemischt, um mehr Formstabilität oder Stretch-Eigenschaften zu erhalten. Diese Beimischungen sind Gift für ein effizientes Recycling.

Alternative Bio-Baumwolle?

Bio-Baumwolle schneidet in ihrer Umweltbilanz deutlich besser ab, als konventionelle Baumwolle. Der Wasserverbrauch ist geringer, da gezielt Regenwasser eingesetzt wird. Gentechnisch veränderte Sorten und synthetische Pestizide sind verboten, stattdessen wird auf eine gemischte Bepflanzung und natürliche Feinde von Schädlingen gesetzt.

Kleinbauern profitieren von besseren Arbeitsbedingungen und sind nicht von den grossen Herstellern gentechnisch veränderter Sorten und Pflanzenschutzmitteln abhängig. Die Böden sind dank Fruchtfolge und der Diversifizierung gesünder.

Allerdings werden für den gleichen Ertrag rund 20 Prozent mehr Anbaufläche benötigt, was in vielen Fällen auf Kosten der Lebensmittelproduktion geht. Und trotz steigender Nachfrage stammt nur etwa ein Prozent der weltweit gehandelten Baumwolle aus biologischem Anbau.

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