Corona 2024: Wie gefährlich ist das Virus noch?

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UpdateFünf Jahre Corona – müssen wir uns noch Sorgen machen?

Das Coronavirus Sars-CoV-2 wird nicht wieder verschwinden, warnten Fachleute von Beginn an. Tatsächlich ist es noch immer da und infiziert Menschen. Doch ist das noch ein Grund zur Sorge?

Corona: Die Pandemie ist vorbei, aber das Virus zirkuliert weiter.
Auch in der Schweiz sind derzeit Menschen mit Corona infiziert. «Die aktuelle Viruslast ist höher als im Herbst 2023, aber niedriger als der Höchstwert im vergangenen Dezember», sagt Tim Julian, Leiter der Eawag-Gruppe für Krankheitserreger und menschliche Gesundheit.
«Die Messwerte auf diesem Niveau werden durch mehrere Virus-Varianten beeinflusst, darunter die derzeit zirkulierende XEC-Variante», so Julian. Auf XEC (olivgrün) gehen die meisten Infektionen zurück. Der Anteil der von KP.3 (blau) ausgelösten Infektionen ging zuletzt deutlich zurück. Was heisst das?
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Corona: Die Pandemie ist vorbei, aber das Virus zirkuliert weiter.

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Darum gehts

  • Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie ist das Coronavirus Sars-CoV-2 weiterhin aktiv.

  • Dank Impfungen und überstandenen Infektionen ist es aber weniger gefährlich als zu Beginn. Eine Erkältung ist Covid aber immer noch nicht.

  • Die Sterblichkeit hat sich stark verringert. Sie ist nun vergleichbar mit der Grippe.

  • Das BAG empfiehlt gefährdeten Personen weiterhin eine jährliche Auffrischungsimpfung.

  • Long Covid tritt seltener auf, bleibt aber ein Risiko – auch für junge und gesunde Menschen.

Vor fünf Jahren tauchte in China ein neues Virus auf, das später den Namen Sars-CoV-2 erhielt. Erste offiziell bestätigte Infektionen wurden Anfang Dezember in Wuhan erfasst. Es folgte eine Pandemie. Wie ist die Situation heute?

Muss man sich noch Sorgen wegen Corona machen?

«Covid ist immer noch keine normale Erkältung», sagt Christian Drosten vom Institut für Virologie der Charité Berlin. «Viele Patienten fühlen sich sehr krank, wenn sie infiziert sind.» Die Sterblichkeit habe sich aber aufgrund der Immunität durch Impfungen und überstandene Infektionen deutlich verringert, sie sei nun etwa so hoch wie bei der Grippe. Diese sollte man nicht mit einem grippalen Infekt verwechseln, so Carsten Watzl von der TU Dortmund: «Wer schon einmal eine echte Grippe hatte, hat grossen Respekt davor.»

«Covid ist immer noch keine normale Erkältung.»

Christian Drosten vom Institut für Virologie der Charité Berlin

Laut dem deutschen Robert Koch-Institut (RKI) gibt es inzwischen deutlich seltener schwere Covid-19-Verläufe als noch in den Jahren 2020 und 2021. Betroffen sind laut Watzl meist Menschen, die wegen einer Vorerkrankung oder einer Organtransplantation ein schwaches Immunsystem haben.

Wie sieht es aktuell in der Schweiz aus?

Auch in der Schweiz sind derzeit Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Das zeigt der Blick aufs Abwasser: «Die aktuelle Viruslast ist höher als im Herbst 2023, aber niedriger als der Höchstwert im vergangenen Dezember», sagt Tim Julian, Leiter der Eawag-Gruppe für Krankheitserreger und menschliche Gesundheit. Die Viruslast sei seit dem Frühjahr auf einem moderaten Niveau. «Das deutet darauf hin, dass die Viren anhaltend in der Schweizer Bevölkerung zirkulieren.»

Die aktuellsten verfügbaren Daten zeigen den Stand am 23. November an. Die nächste Aktualisierung dürfte morgen erfolgen, «nachdem die Daten einer ersten Qualitätskontrolle unterzogen wurden», wie Julian sagt.

Die aktuellsten verfügbaren Daten zeigen den Stand am 23. November an. Die nächste Aktualisierung dürfte morgen erfolgen, «nachdem die Daten einer ersten Qualitätskontrolle unterzogen wurden», wie Julian sagt.

«Die Messwerte auf diesem Niveau werden durch mehrere Virus-Varianten beeinflusst», so Julian. «Darunter ist die derzeit zirkulierende XEC-Variante.»

Ist Impfen gegen Corona noch nötig?

Wie bei der Grippe wird vor allem bestimmten Gruppen dazu geraten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt Personen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, sich jeweils zwischen Oktober und Dezember eine Auffrischungsimpfung zu holen:

  • Personen ab 65 Jahren

  • Personen ab 16 Jahren, mit bestimmten Vorerkrankungen oder Trisomie 21

  • Schwangeren

Bei ihnen nehme auch der Immunschutz am ehesten ab, so das BAG. Die Covid-Impfung könne ab sechs Monaten nach der letzten Impfung oder nach einer bekannten Corona-Infektion durchgeführt werden. Doch auch Jüngere können sich impfen lassen. So könnten «auch scheinbar harmlose Diagnosen, die man im Alltag gar nicht als Risikofaktor oder als Krankheit begreift, ein Grund für eine regelmässige Impfung sein», erklärt Drosten.

Diese Schutzmöglichkeiten gibt es ausserdem

Die Impfstoffe werden regelmässig an neu auftretende Varianten angepasst – die es bei Sars-CoV-2 immer noch häufiger gibt als zum Beispiel bei anderen Coronaviren oder bei RSV, wie Watzl erläutert. «Evolutionär ist das Virus noch ein Baby», erklärt der Immunologe. «Seine optimale Anpassung hat es noch nicht gefunden.»

«Evolutionär ist das Virus noch ein Baby.»

Carsten Watzl, Immunologe an der TU Dortmund

Wird noch mal eine heftigere Variante kommen?

«Ich kann mir gut vorstellen, dass auch dieser Erreger sich nach einigen weiteren Jahren beruhigt hat,» sagt Drosten. «Aber vielleicht sind es auch Jahrzehnte.» Dass noch einmal eine Variante entsteht, die deutlich schlimmere Krankheitsverläufe mit höherem Sterberisiko hervorruft, hält der Virologe für unwahrscheinlich. «Die Bevölkerungsimmunität, die wir jetzt durch Impfungen und überstandene Infektionen erreicht haben, ist robust und wird insgesamt noch stärker.»

Hattest du in diesem Jahr schon Corona?

Wie steht es mit dem Risiko für Long Covid?

Langzeitfolgen treten laut Watzl bei den seit einiger Zeit kursierenden Omikron-Varianten deutlich seltener auf als bei den anfangs vorhandenen. Impfungen und überstandene Infektionen reduzieren das Risiko dafür. Womöglich träten solche Nachwirkungen in Zukunft seltener auf als bei anderen Infektionen.

Viele Viruserkrankungen können Probleme wie Herzmuskelentzündungen, Erschöpfungszustände, Depressionen oder Nervenschäden verursachen. Nach einer Grippe zum Beispiel können dauerhafte gesundheitliche Probleme ähnlich denen bei Long Covid auftreten – «Long Flu» wird dieses Phänomen genannt.

Bei Covid sind Langzeitfolgen laut Drosten aber derzeit noch deutlich erkennbar. Auch junge und fitte Personen können betroffen sein, wie der Fall der Schweizer Rad-Profi Marlen Reusser zeigt.

Drosten verweist auf eine aktuelle Auswertung, der zufolge etwa sechs Prozent der Corona-Infizierten mit Symptomen Long Covid bekommen. Sie zeigten drei Monate nach der Erkrankung noch mindestens einen von drei Symptomkomplexen: schmerzbedingte Erschöpfungszustände, reduzierte geistige Leistungsfähigkeit oder deutliche Atemwegs- und Covid-Symptome.

So wird Long Covid definiert

Was weiss man über die Ursachen von Long Covid?

Die genauen Ursachen sind noch immer unklar. Es werden mehrere vermutet. Kürzlich haben Forschende von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) einen Mechanismus identifiziert, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long Covid erklärt. Ihre Studie zeigt, dass das Spike-Protein von Sars-CoV-2 in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten, und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleibt, was chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen kann.

Die Behandlung von Long Covid bleibt aufgrund der von Patient zu Patient sehr unterschiedlichen Symptome eine Herausforderung. Eine für alle Betroffenen verwendbare standardisierte Therapie oder spezifische Medikamente gibt es nicht, sehr wohl aber spezialisierte Long-Covid-Ambulanzen und Reha-Einrichtungen.

Wie häufig kann man sich infizieren?

Wie oft jemand von Sars-CoV-2 erwischt wird, ist dabei individuell sehr unterschiedlich. «Manche hatten es erst einmal, manche schon fünfmal», sagt Watzl. Daten zu anderen schon lange kursierenden Coronaviren zeigen demnach einen mittleren Abstand von etwa zweieinhalb bis vier Jahren bis zur nächsten Erkrankung.

Haben wir aus der Pandemie gelernt?

Zwar wurden in einigen Ländern Pandemie-Pläne entstaubt oder überhaupt erst geschaffen. Doch ein aktuelles Beispiel zeigt, dass im Zweifelsfall weiterhin zu wenig geschieht, um die Ausbreitung gefährlicher Erreger so früh wie möglich zu stoppen: die Vogelgrippe H5N1 in US-Milchviehbetrieben. Seit den ersten Nachweisen im März wurden dem US-Landwirtschaftsministerium H5N1-Fälle in Hunderten Betrieben in vielen Bundesstaaten erfasst.

«Es sei leider nicht zu erkennen, dass Massnahmen ergriffen werden, die das Geschehen schnell stoppen würden», sagt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald.

Laut einer Studie aus September 2024 breitet sich <a rel="nofollow" data-li-document-ref="103143251" href="https://20min.ch/103143251">das Vogelgrippevirus bei US-Milchkühen</a> über die Euter aus. Das Team um Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) und Jürgen Richt von der Kansas State University (KSU) wertet das als gute Nachricht.
Denn somit ist die Ausbreitung eine menschengemachte und das Infektionsgeschehen könnte – zumindest aus technischer Sicht – relativ einfach unterbunden werden.
Die Studie zeige, «dass in den USA vor allem die Milch und Melk-Prozeduren massgeblich für die Verbreitung und Übertragung zwischen Milchkühen verantwortlich sind und eher nicht der respiratorische Weg», so Beer.
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Laut einer Studie aus September 2024 breitet sich das Vogelgrippevirus bei US-Milchkühen über die Euter aus. Das Team um Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) und Jürgen Richt von der Kansas State University (KSU) wertet das als gute Nachricht.

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Auch Drosten bemängelt fehlende Dateneinsicht und gezielte Infektionsüberwachung, «bei Tieren und Menschen.» Angesichts der öffentlichen Ankündigungen aus Kreisen der künftigen Regierung müsse man sich über die weitere Entwicklung Sorgen machen. «Desinformation und Populismus gefährden die Gesundheit der Bevölkerung.»

«Man sollte alles daran setzen, die übliche Verbreitung bei Kühen zu beenden, möglichst noch vor der Grippesaison.»

Christian Drosten vom Institut für Virologie der Charité Berlin

Denn das Virus könne auch andere Säugetiere und Menschen infizieren, so Drosten. Zudem bestehe die Gefahr, dass ein neuer, gefährlicher Erreger entsteht. Zum Glück sei das bei Milchkühen zirkulierende Virus bei Säugetieren noch schlecht übertragbar, erklärt Drosten. Zudem könnte sich diese Viruslinie nicht so effektiv mit menschlichen Viren zusammentun. «Dennoch sollte man alles daran setzen, die übliche Verbreitung bei Kühen zu beenden, möglichst noch vor der Grippesaison», betont der Virologe. «Ich befürchte allerdings, den Zeitpunkt dazu hat man inzwischen verpasst.»

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