Andreas KrafftZukunftsforscher warnt: «Die Gesellschaft bleibt auf der Strecke»
Junge Menschen verlieren den Glauben an das Gute im Menschen. Ein Zukunftsforscher warnt: «Hoffnungslose Menschen ziehen sich in ihr Privatleben zurück, gesellschaftliche Themen bleiben auf der Strecke.»
Vergangenes Jahr haben Sie gesagt, Pessimismus sei gar nicht schlecht, es müsse sich einfach etwas ändern. Hat sich denn etwas verändert?
Der Pessimismus des vergangenen Jahres hat sich zu einer Frustration entwickelt. Der Nahostkonflikt und die erneut aufkommende Flüchtlingskrise sind hinzugekommen. Die Menschen fühlen sich unwohler und hilfloser. Die Sicherheit ist ein wichtiges Gut der Schweiz – die Bevölkerung sieht diese immer mehr in Gefahr.
Trotz allem ist die persönliche Hoffnung über die letzten sechs Jahre auf einem mittleren Niveau nahezu konstant geblieben.
In Bezug auf ihr eigenes Leben sind die Menschen hoffnungsvoll, aber nicht in Bezug auf das Geschehen auf der Welt. Dies führt dazu, dass man sich stärker ins Privatleben zurückzieht und sich weniger für die Gesellschaft engagiert. Dies wiederum hat zur Folge, dass jeder und jede nur noch auf sich schaut – die Umwelt und soziale Themen bleiben so auf der Strecke. Dieser Spagat zwischen einem hoffnungsvollen Privatleben und Krisen und Katastrophen auf der ganzen Welt führt zu einer Hilflosigkeit. Den Menschen, vor allem den Schweizern, ist Sicherheit sehr wichtig. Die Bevölkerung sieht diese Sicherheit in Gefahr.
«Junge Menschen fühlen eine Perspektivlosigkeit, weil sie nichts an der Situation auf der Welt ändern können.»
Junge Menschen sind in Bezug auf ihr eigenes Leben unzufriedener als ältere. Weshalb?
Junge Menschen leben eher mit einem Blick auf das Ganze. Sie nehmen negative Entwicklungen in der Welt wahr und fühlen dann eine Perspektivlosigkeit, weil sie nichts an der Situation auf der Welt ändern können. Weitere Faktoren sind die Erwartungshaltung und der Leistungsdruck der Gesellschaft an junge Menschen: Es wird erwartet, dass sie eine gute Ausbildung machen und als Teil der Gesellschaft einen Auftrag erfüllen. Viele haben aber das Gefühl, dass sie diesen Erwartungen nicht gerecht werden können oder wollen.
Auch in Bezug auf die Wirtschaft macht sich bei den Jungen Ernüchterung breit.
Das hat mich erstaunt. Es gibt genug Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Lage in der Schweiz ist ziemlich stabil. Dieses Ergebnis zeigt, dass sich die Ansprüche der heutigen jungen Menschen gewandelt haben: Sie wollen nicht einfach nur arbeiten fürs Geld, sondern einem Job mit Sinnhaftigkeit nachgehen. Gleichzeitig sehen sie viel Leid auf der Welt, können aber nichts dagegen unternehmen. Das ist frustrierend. Von der Politik fühlen sie sich nicht vertreten.
«Die Wirtschaft muss sinngebende Tätigkeiten anbieten.»
Was muss sich ändern, damit junge Menschen wieder hoffnungsvoller werden?
Junge Menschen brauchen neue Perspektiven. Für sich selbst wie auch für die gesamte Gesellschaft. Auf individueller und globaler Ebene braucht es einen Perspektivenwechsel von negativen Zukunftsaussichten zu positiven Zukunftsbildern. In der Politik sollte man nicht nur Ängste, Sorgen und Probleme ansprechen, sondern neue, zukunftsgerichtete Ansätze und Ideen entwickeln. Dazu gehören auch neue Beteiligungsformen von Jugendlichen in der Politik. In der Wirtschaft und Ausbildung müssen junge Erwachsene die Möglichkeit haben, ihre «Traumberufe» zu finden. Damit sind nicht Karriere und viel Geld gemeint, sondern sinngebende Tätigkeiten. Letztendlich wäre es gut, wenn junge Erwachsene sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Gesellschaft engagieren könnten. Dies kann bereits in den Schulen und in der Ausbildung, aber auch im Beruf geschehen.
Was passiert, wenn sich diese Frustration in den nächsten Jahren noch vertieft?
Wenn sich Frustration und Resignation vertiefen, kann dies zu mehr Desinteresse für gesellschaftliche Themen führen, zu mehr allgemeiner Desorientierung und zu einer politischen Polarisierung. Je hoffnungsloser man sich fühlt, desto weniger engagiert man sich für gesellschaftlich relevante Themen wie das Klima und die Umwelt oder soziale Themen. Teilweise könnte es zu Spannungen zwischen der älteren und der jüngeren Generation kommen.
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