Streit um Antisemitismus spaltet Jungparteien nach Juso-Entscheid

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«Braunes Milieu»Juso unterstützt Boykott von Israel-Produkten – scharfe Kritik

Die Juso unterstützt die antiisraelische BDS-Bewegung – und gerät dafür in die Kritik. Auch vom Jungfreisinn, der mit einer neuen Antisemitismusdefinition ein «deutliches Zeichen gegen Judenfeindlichkeit» setzen will.

Die Jungfreisinnigen sind «zutiefst besorgt» über den zunehmenden Antisemitismus in der Schweiz, wie Präsident Jonas Lüthy sagt.
Sie hätten sich deshalb als erste Jungpartei dazu entschlossen, die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zu verabschieden.
Die Jungliberalen fordern dabei auch die anderen Jungparteien auf, sich zu dieser zu bekennen. Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann sagt: «Boykotte und Sanktionen sind ein legitimes politisches Mittel, um die Kriegskasse des Regimes auszutrocknen.»
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Die Jungfreisinnigen sind «zutiefst besorgt» über den zunehmenden Antisemitismus in der Schweiz, wie Präsident Jonas Lüthy sagt.

Yannick Hautle

Darum gehts

  • Die Juso hat sich dazu entschlossen, die Bewegung «Boycott, Divestement, Sanctions» (BDS) zu unterstützen, die von unterschiedlichen Experten und Behörden als antisemitisch eingestuft wird.

  • Bei den Jungliberalen sorgt das für Unverständnis: Sie beschlossen kürzlich, die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zu verabschieden.

  • Nun rufen sie die anderen Jungparteien dazu auf, es ihnen gleichzutun.

  • Die Juso lehnt dies jedoch ab und verteidigt die Unterstützung der BDS-Bewegung als «legitimes Mittel, um die Kriegskasse des Regimes auszutrocknen».

Die Juso Schweiz sorgt mit dem Entscheid, die Bewegung «Boycott, Divestment, Sanctions» (BDS) zu unterstützen, für Aufregung. Gegen den Willen der eigenen Geschäftsleitung hat sich die Jungpartei der Gruppe angeschlossen, die sich für den Boykott von Gütern und Dienstleistungen aus Israel einsetzt.

SP-Ständerat Daniel Jositsch, der selbst jüdischer Herkunft ist, kritisierte den Entscheid der Juso in der «SonntagsZeitung» als «völlig deplatziert» und warnte vor «radikal israel-kritischen Tendenzen».

Bei Jonas Lüthy, dem Präsidenten der Jungfreisinnigen Schweiz, sorgte die Nachricht für Kopfschütteln: «Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz», sagt er. Es gehe ihm nicht darum, speziell gegen links zu schiessen: «Aber es ist doch auffällig, wie stark der Antisemitismus auch aus dem linken Lager kommt.»

Jungfreisinnige wollen Zeichen gegen Judenfeindlichkeit setzen

Die Frage, was als antisemitisch gilt, führt immer wieder zu Diskussionen. Eine breit akzeptierte Definition schuf die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Die JFDP bekannte sich vor kurzem als erste Jungpartei dazu: «Wir setzen damit ein deutliches Zeichen gegen Judenfeindlichkeit», sagt Lüthy.

Jonas Lüthy fordert andere Parteien dazu auf, dem Beispiel der Jungfreisinnigen zu folgen und die IHRA-Antisemitismusdefinition zu unterstützen.

Jonas Lüthy fordert andere Parteien dazu auf, dem Beispiel der Jungfreisinnigen zu folgen und die IHRA-Antisemitismusdefinition zu unterstützen.

Valentin Hehli

Gleichzeitig nimmt die junge FDP die anderen Jungparteien in die Pflicht: «Wir rufen sämtliche Parteien dazu auf, die Definition der IHRA zu verabschieden», so Lüthy.

Experte: «BDS ist klar antisemitisch»

Laut Philip Bessermann, Geschäftsleiter der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), erfüllt die Boykottbewegung BDS die IHRA-Antisemitismusdefinition. Problematisch sei der historische Kontext: Der Boykottaufruf erinnere an die «Kauft nicht beim Juden»-Parole zur NS-Zeit.

«Grenzenlos naiv»: Das sagt der Schweizerisch Israelitische Gemeindebund

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Er unterstellt der Juso nicht direkt Antisemitismus, bezeichnet sie aber als «grenzenlos naiv». Die BDS picke sich gezielt den einzigen jüdischen Staat heraus und rufe zum Boykott auf: «Wer in diesem Kontext nicht die antisemitischen Handlungsmuster erkennt, ist blind. Es ist mir auch nicht bekannt, dass die Juso Boykotte gegen andere Staaten fordert, die Krieg führen», sagt Kreutner gegenüber 20 Minuten.

Zudem werde die Komplexität des Nahostkonflikts ausgeblendet: «Die BDS schiebt Israel einseitig die Schuld zu», so Bessermann. Kritisch sieht er die Wirkung auf den politischen Diskurs: «Unterschiedliche Organisationen bemühen sich in der Schweiz um den konstruktiven Dialog zum Nahostkonflikt. BDS ist das Ende des Dialogs und verstärkt die Polarisierung.»

Juso: «Legitimes Mittel»

Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann sagt: «Boykotte und Sanktionen sind ein legitimes politisches Mittel, um die Kriegskasse des Regimes auszutrocknen.» Auch bei der Fussball-WM in Katar habe die Juso zu Boykotten aufgerufen. «Diese Mittel sind nicht antisemitisch», findet sie. Dem Aufruf der Jungfreisinnigen will die Juso nicht Folge leisten: «Wir kämpfen gegen Antisemitismus und unterstützen darum die Jerusalem-Erklärung.» Diese sei viel konkreter als die IHRA-Definition und als Weiterentwicklung formuliert.

Für Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann ist der Israel-Boykott ein legitimes, politisches Mittel.

Für Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann ist der Israel-Boykott ein legitimes, politisches Mittel.

Jérénue Reusser

Dazu sagt GRA-Geschäftsleiter Philip Bessermann: «Die Jerusalem Declaration ist ideologisch motiviert und zu eng ausgelegt, da Judenhass mit Rassismus gleichgesetzt wird.» Dabei würde israelfeindlichen Aussagen ein Persilschein ausgehändigt, der erlaube, selbst Israels Existenzrecht zu verleugnen.

JSVP: «Juso im braunen Milieu»

Die Mutterpartei SP sagt, die Juso treffe als separate Partei eigenständige Entscheidungen: «Die SP Schweiz ist nicht Teil der BDS-Bewegung und lehnt beispielsweise den kulturellen und akademischen Boykott gegen Israel ab.» Zudem unterstütze sie Friedenskräfte in Israel und Palästina und fordere gezielte Sanktionen wie das Verbot militärischer Zusammenarbeit mit allen Konfliktparteien, die das humanitäre Völkerrecht verletzten.

Nils Fiechter, Präsident der Jungen SVP, findet es «beschämend», dass die Juso die BDS-Bewegung unterstützt. Er selbst wurde vom Bundesgericht wegen Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm verurteilt.

Nils Fiechter, Präsident der Jungen SVP, findet es «beschämend», dass die Juso die BDS-Bewegung unterstützt. Er selbst wurde vom Bundesgericht wegen Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm verurteilt.

Adrian Moser

Die Junge SVP Schweiz, die im Mai eine Kampagne gegen «islamistischen und woken Antisemitismus» lancierte, findet klare Worte: «Wir bekämpfen jede Form von Antisemitismus in der Schweiz», teilt Präsident Nils Fiechter mit. Dass sich die Juso der «fanatischen, antisemitischen BDS-Bewegung» anschliesse, sei beschämend: «Die Jungsozialisten verabschieden sich mit diesem Schritt ins braune, antisemitische Milieu.» Die Junge SVP wende die IHRA-Definition schon seit Längerem an.

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