Päckli-Flut an WeihnachtenTemu: Der chinesische Riese macht sich in der Schweiz breit
Kaum ein Jahr gibt es Temu in der Schweiz. Der Effekt, den das Unternehmen auf Konsumenten, lokale Händler und das Logistikwesen hat, ist jedoch schon jetzt gewaltig.

Temu macht sich auf dem Schweizer Markt breit.
20min/Tom VaillantTemus Aufstieg: Darum gehts
Der chinesische Onlinehändler Temu hat sich in der Schweiz schnell ausgebreitet und beeinflusst den Markt stark.
Täglich kommen Unmengen an Paketen aus China, besonders in der Vorweihnachtszeit.
Innerhalb eines Jahres hat Temu 4,6 Prozent Marktanteil im Schweizer E-Commerce erreicht und verdrängt dabei die Konkurrenz.
«Jeden Tag ein Jumbo-Jet voll», sagt ein Insider aus dem Logistikwesen. Ein anderer spricht von 50 bis 100 Tonnen pro Tag: Wie viele Pakete Temu tatsächlich täglich in die Schweiz schickt, ist schwer zu belegen. Das Unternehmen hält sich mit genauen Zahlen äusserst bedeckt. Klar ist aber, dass der orange Riese aus China den Schweizer Markt fest im Griff hat.
Besonders in der Zeit von Black Friday bis zu den Festtagen liefern Postboten täglich Unmengen an Paketen des chinesischen Billighändlers vor Schweizer Haustüren – zum Leid der lokalen Wirtschaft.

Seit knapp einem Jahr flutet der Billighändler aus China die Schweiz mit Hunderttausenden Paketen.
IMAGO/NurPhotoDie Päckli-Flut aus dem Osten
Vieles, was hierzulande gekauft wird, hat schon länger seinen Ursprung in China. So fanden bereits 2014 gut 12'000 Tonnen Waren per Flugzeug ihren Weg aus China in die Schweiz. Doch: Mit der Etablierung von Temu 2023 hat dies ein komplett neues Ausmass angenommen.
Allein bis im Oktober 2024 hat sich die Menge an Flugimporten aus China gemäss Daten der Zollbehörde mehr als verdreifacht. Diese Zahl könnte bis Ende Jahr nochmals stark ansteigen. Historisch sind die letzten beiden Monate im Jahr die verkaufsstärksten. Der Anteil von Temu an dieser Entwicklung ist eindeutig. Das Unternehmen verschickt seine Pakete gemäss Kennern fast ausschliesslich per Flugzeug in die Schweiz.
Temu stellt dabei auch Konkurrenten wie Shein und Alibaba in den Schatten. Deren Einstiege in das Europa-Geschäft wiesen einen deutlich kleineren Effekt auf die Flugimporte auf.
Temu und PDD: China oder nicht?
Temu hat seinen Sitz in Dublin, Irland. Die Kategorisierung als chinesischer Onlinehändler kommt allerdings daher, dass Temu ein Tochterunternehmen des chinesischen PDD-Holdings-Konzerns ist. PDD betreibt seit 2015 in China die E-Commerce-Plattform «Pingduoduo».
Aus der Erfahrung und dem bestehenden Händler und Logistiknetzwerk kann Temu gemäss einem Sprecher profitieren, um schnellere Lieferzeiten und bessere Konditionen zu ermöglichen.
Die Marktmacht steigt und steigt
Neben den Importzahlen lässt sich Temus Eroberung des Schweizer Marktes auch im Marktanteil beobachten. Innerhalb eines Jahres hat sich der Onlinehändler 4,6 Prozent des Markts erobert und auf Platz vier im Schweizer E-Commerce-Bereich katapultiert, wie eine Studie der Universität St. Gallen zeigt.
Dabei geht es um eine Menge Geld. Gemäss der Studie beläuft sich der Umsatz im Schweizer Onlinehandel gesamthaft auf gut 18 Milliarden Franken. Stark vereinfacht gerechnet ergäbe das einen Umsatz für Temu in der Schweiz von knapp 830 Millionen Franken. Weltweit schätzt die Plattform WeThrift den erwarteten Umsatz von Temu 2024 auf ganze 29,5 Milliarden US-Dollar.
«Shop like a Billionaire»
Vorurteile über Chinaware gibt es viele – von schlechter Qualität bis zu Sicherheitsbedenken. Der Preis scheint aber am Ende für die meisten den Ausschlag zu geben. 83 Prozent der Schweizer Konsumenten sehen die deutlich niedrigeren Preise bei den Billighändlern als ausschlaggebendes Argument gegen europäischen Anbietern.

Die niedrigen Preise bringen viele Schweizerinnen und Schweizer dazu, bei Temu einzukaufen.
IMAGO/Guido SchieferTemus Slogan «Shop like a Billionaire» (Einkaufen wie ein Milliardär) scheint also die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten getroffen zu haben. Gemäss dem Transparenzbericht des Unternehmens hatte Temu in der Zeit von April 2024 bis Oktober 2024 in der EU durchschnittlich mehr als 93 Millionen monatliche Nutzer, was knapp einem Fünftel der gesamten Bevölkerung entspricht.
Temu zufrieden mit dem Schweizer Geschäft
Auf Anfrage gibt sich Temu zufrieden mit dem Verkauf in der Schweiz. «Seit unserem Start in der Schweiz im vergangenen Mai haben wir positive Rückmeldungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern erhalten», so ein Sprecher. «Die Schweiz ist ein wichtiger Markt für Temu, und wir optimieren unsere Logistikabläufe kontinuierlich, um die wachsende Nachfrage effizient zu erfüllen.»
Wie stehst du zu den Auswirkungen von Temu auf den Schweizer Markt?
Über seine Preise und Angebote könne sich Temu von Einzelhändlern abheben. Dementsprechend sei auch die Wachstumsstrategie von Temu in der Schweiz weiterhin dieselbe: Durch Verzicht auf Zwischenhändler sollen Kunden direkt beim Hersteller zu Großhandelspreisen einkaufen können.
Branchen-Kenner und Experten gehen davon aus, dass sich Temu in der Schweiz mit dieser Strategie weiter ausbreiten wird. Ob die hiesige KMU-Landschaft dies überleben wird, ist dabei allerdings ungewiss.
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