KonkurrenzkampfTemus Geschäftsmodell: Logistikwunder oder Milliardenverlust?
Mit seinem Logistikaufbau flutet der Online-Händler die Welt mit billigen Produkten. Doch: Rechnet sich das Geschäft mit der Chinaware?
Temus-Logistik: Darum gehts
Temu bietet extrem günstige Produkte durch ein effizientes Logistiksystem direkt aus China an.
Das Unternehmen spart Kosten, indem es freie Plätze auf bestehenden Cargo-Flügen nutzt.
Experten schätzen allerdings, dass Temu pro Bestellung 18 US-Dollar Verlust macht, was langfristig zu Milliardenverlusten führen könnte.
Der Preis entscheidet: Temus System, Waren für wenig Geld fast direkt vom Hersteller zum Kunden zu senden, geht auf. Die Nachfrage – und somit die Nutzerzahlen – steigen fast kontinuierlich und bei lokalen Unternehmen stellt sich immer mehr die Frage: «Wie können die so günstig sein?»
Mit Preisen wie denen von Temu können viele Schweizer KMUs nicht mithalten. Doch hinter dem Erfolg und den Preisen stecken zwei Dinge: Ein perfektioniertes Logistiksystem und mutmasslich gleichzeitig die Bereitschaft, hohe Verluste in Kauf zu nehmen.
Direkt aus China vor die Haustüre
Günstig in Asien zu produzieren, ist bei vielen Unternehmen längst gang und gäbe. Was Temu aber perfektioniert hat, ist möglichst viele Zwischenschritte – und somit Gebühren – zwischen dem Hersteller und dem Kunden, die gewöhnlich beim Online-Verkauf anfallen, zu eliminieren.

Temu nutzt etwa statt eigens gecharterten Flugzeugen Restplätze in bereits befüllten Frachtflugzeugen.
IMAGO/Marc SchülerVon den Herstellern in den Industriegebieten Chinas kommen die Produkte in zentrale Warenhäuser, von wo aus sie direkt in die Zielländer fliegen, wie Branchenkenner sagen. Dabei nutze Temu eine raffinierte Methode, um Ausgaben zu sparen.
Statt eigene Transportflugzeuge zu chartern, teilen sie ihre Lieferungen in kleinere Gruppen auf. Diese wiederum versenden sie dann günstiger, in dem sie freien Platz bei bereits bestehenden Cargo-Flügen auffüllen.
Versand innerhalb der Schweiz
Sind die Pakete in der Schweiz angekommen, werden sie sowohl von der Post als auch DPD ausgeliefert. Wie die Post sagt, seien die Zahlen der Kleinwarensendungen aus Asien im ersten Halbjahr 2023 nach einer Flaute 2022 wieder gestiegen. Dies überschneidet sich mit dem Einstieg Temus in den Schweizer Markt. «Seit Mitte 2023 stellen wir sogar eine deutliche Mengensteigerung gegenüber dem Vorjahr fest.»
Über den genauen Tarif, zu dem die Post die Lieferungen Temus ausstelle, gibt ein Sprecher gegenüber 20 Minuten keine genauen Angaben. Nur so viel: «Die Post hat keine eigene Vereinbarung mit den jeweiligen Online-Händlern. Sie wird für ihre Aufwände – Verzollung, Sortierung und Zustellung – innerhalb der internationalen Logistikkette entschädigt. Die Entschädigungen ermöglichen uns eine marktübliche Marge.»
Seit neuem bietet Temu in manchen Ländern wie etwa Deutschland und Spanien Anbietern auf der Plattform ebenfalls an, eigene Warenhäuser vor Ort zu nutzen. In diesen Fällen sind die Anbieter aber selbst für die Logistik und den Versand zuständig.
Weniger Regeln – mehr Profit?
Neben der ausgeklügelten Methode, Produkte ohne grosse Zwischenschritte vom Hersteller zum Kunden zu liefern, vermuten Kritiker aber auch unlautere Taktiken. So umgehe das Unternehmen etwa Mehrwertsteuerabgaben, indem es die Lieferungen in die Schweiz unter der Zollfreigrenze von 62 Franken halte.
Auch musste sich Temu in der Schweiz lange nicht an Recyclingabgaben für ihre Produkte beteiligen. Das Resultat: Die lokalen Recyclinghöfe wurden mit Elektroschrott aus China überflutet, ohne dafür von Temu Geld zu bekommen. Ein neues Gesetz soll zumindest diesen Aspekt nun angehen.

Gegen Temus Vorgehen wurden bei verschiedenen Behörden bereits Beschwerden eingereicht.
IMAGO/Lobeca18 Dollar Verlust pro Verkauf
Temu kennt das globale Logistikwesen gut und weiss, wo Schlupflöcher zu finden sind. Ob dieses Modell bei den Preisen Temus aber langfristig aufgehen kann, ist fragwürdig. Experten der HSG gehen davon aus, dass das Unternehmen massive Verluste einfährt.
Während das Unternehmen zwar keine genauen Zahlen herausgibt, schätzen Dritte pro Bestellung mindestens 18 US-Dollar Verlust pro Einkauf. Auf die Menge an Bestellungen gerechnet, würde dies einen Milliardenverlust bedeuten.
Temu sei dementsprechend aktuell nur darauf ausgerichtet, seinen Marktanteil zu erhöhen. Um die Profitabilität müsse es sich dann später kümmern.
Wie stehst du zu den günstigen Preisen von Temu?
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