PreisvergleichWieso kosten Produkte in der Schweiz so viel mehr als bei Temu?
Die niedrigen Preise bewegen immer mehr Schweizerinnen und Schweizer, bei Temu, statt bei lokalen Händlern einzukaufen. Doch wieso kosten Produkte hierzulande so viel mehr?
Temu-Preise: Darum gehts
Temu bietet extrem günstige Preise, die viele Schweizer dazu bewegen, dort einzukaufen.
Michael Haug von mobile-universe.com erklärt, warum lokale Händler nicht mithalten können.
Hohe Kosten für Werbung, Löhne und Versand machen es schwer, konkurrenzfähig zu bleiben.
Der Billighändler aus China sorgt spätestens seit 2024 bei vielen Schweizer Händlern für starke Kopfschmerzen. «Wenn jemand online nach einem Produkt sucht und den Preisunterschied sieht, stehen wir ziemlich schlecht da», erzählt Michael Haug, Geschäftsführer von Mobile-universe.ch.
Entsprechend oft kommt von der Konsumentenseite auch Unverständnis über die Schweizer Preise. Wieso sollten sie mehr bezahlen, wenn es auch günstig geht? Um den Vorwürfen nach Abzocke zu entgegnen, legt Haug gegenüber 20 Minuten seine Preisstruktur offen und zeigt: Selbst ohne Gewinn könnte er seine Produkte nicht so günstig wie Temu verkaufen.

Michael Haug von Mobile-universe.com kämpft gegen die Tiefpreise von Temu.
PrivatSo kommt der Preis zustande
Für das Beispiel nimmt Haug eine qualitativ gute TPU Handyhülle, die beim orangen Riesen ab 1.20 Franken verfügbar ist – inklusive Versand. Bei Haug gestaltet sich der Preis so:

Bei seinem grössten Kostenpunkt – der Werbung – geht Haug bereits von einer optimistischen Konversionsrate von über fünf Prozent aus. Erhältlich ist die Hülle bei ihm für 14.90 Franken. Dazu werden dem Kunden standardmässige 4.90 Franken für den Versand berechnet. Diese sind zwar bei Kleinartikeln wie diesem höher als die tatsächlichen Versandkosten, bei grösseren Artikeln mit höherem Porto jedoch deutlich niedriger.
Total kostet einen die Hülle also 19.80 Franken. Mit der Differenz von 6.60 Franken muss Haug jedoch die Fixkosten wie Löhne und Miete sowie Steuern und Investitionen finanzieren. Um seinen Gewinn ist es also noch nicht gut bestellt.
«Können schlicht nicht mithalten»
Es fällt direkt auf: Sowohl der Versand in die Schweiz als auch der innerhalb der Schweiz von seinem Lagerhaus zum Kunden kosten mehr, als die Hülle bei Temu kostet. Wie Haug erzählt, sei dies bei den meisten Artikeln im Kleinstbereich der Fall. Bei grösseren Artikeln, die als Paket verschickt werden, gehe die Schere noch weiter auseinander. «Bei denen bezahlen wir für den Versand in der Schweiz allein acht Franken.»
Wie beeinflussen die günstigen Preise von Temu dein Kaufverhalten?
«Ich weiss nicht, wie sie das so günstig machen. Da können wir schlicht nicht mithalten.» Bereits in diesem Jahr sei bei ihm der Umsatz deutlich rückläufig. «Von meinen Kontakten aus der Branche weiss ich, dass es vielen anderen ähnlich ergeht.»
Mit Schweizer Löhnen unmöglich
Für sein Geschäft könnte die Entwicklung drastisch enden. «Wir bezahlen unserem Lagerpersonal rund 4500 Franken im Monat. Wenn der Umsatz wegfällt, geht das nicht mehr.» Auch könnten KMUs wie das seine nicht mit dem Werbevolumen von Temu mithalten. «Auf Google sind in unserem Bereich gut 50 Prozent der Anzeigen von ihnen.»

Bereits bis das Produkt in der Schweiz angekommen ist, kostet es Haug mehr als der Verkaufspreis bei Temu.
IMAGO/dieBildmanufakturEinen Ausweg sieht Haug nicht. «Wir können unsere Löhne nicht auf ein chinesisches Niveau senken.» Auch gebe es bei mehr als der Hälfte seiner Produkte kaum Alternativen, um sich qualitativ abzuheben. «Wir könnten einzig auf ein Gebiet umsatteln, in dem Temu noch nicht so stark ist – doch auch dort ist es nur eine Frage der Zeit.» Zudem kostet die Investition in neue Produktsegmente Geld, welches mit den geringen Margen fast nicht finanzierbar sei.
«Auch politisch lässt sich nicht viel machen»
Könnte die Politik helfen? Branchenverbände und Politiker versuchen bereits mit mehreren Ansätzen, den orangen Riesen in Zaum zu halten. Doch auch hier sieht Haug wenig Erfolg. «Abgesehen von Qualitätsvorgaben und Sicherheitsanforderungen lässt sich auch politisch nicht viel machen», so Haug.
«Temu dazu zu zwingen, zu lokalen Marktpreisen zu verkaufen, ist unmöglich.» Stattdessen hofft Haug auf die Schweizer Kundinnen und Kunden. «Sie können entscheiden, wo sie einkaufen und somit, ob kleine KMUs hierzulande überleben sollen.»
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