20 Minuten in Kiew: Alarm-App warnt vor Russlands Raketen – so tönt sie

Livetickeraktualisiert am Freitag, 6. Oktober, 2023

20 Minuten in KiewAlarm-App warnt vor Russlands Raketen – so tönt sie

20 Minuten arbeitet im Krieg auch von Kiew aus. In diesem Ticker gibt es Einblicke in das Leben in der ukrainischen Millionenstadt.

Seit 20 Minuten wegen des russischen Angriffs im April ein Büro in der ukrainischen Hauptstadt eröffnete, gibts die Frage öfter: Wie lebt es sich in Kiew? Kann man zum Feierabend ein Bier trinken oder ist das zu gefährlich? Was macht man am Wochenende und wie sind die Kiewer im Krieg so drauf?

Dies und anderes soll hier beantwortet werde – nach bestem Wissen und Gewissen und mit nicht immer bierernsten Beobachtungen zu dieser Millionenstadt und ihren Anwohnern im alltäglichen Artilleriekrieg.

Zunächst eine kleine Fahrt durch Kiew, gefilmt vom Taxirücksitz aus und mit Musik, die man hier so hört.

Deine Meinung zählt

Freitag, 29.09.2023

Wäre das bei uns möglich?

In Kiew ertönt allpot von irgendwoher Musik. Etwa im grossen Park, der an das St. Michaelskloster grenzt. Dort steht in einem Pavillion ein altes Klavier, das rege genutzt wird.

Fragt sich, ob das Instrument auch in einem öffentlichen Park einer Schweizer Grossstadt vor Vandalen sicher wäre? Egal, hört doch rein und geniesst die Aussicht über Kiew und den Dnjpro!

20 Minuten/AG
Dienstag, 26.09.2023

Zwei ernüchternde Tage im Donbass

Laden in Kramatorsk kurz bevor er um 20 Uhr schliesst.

Laden in Kramatorsk kurz bevor er um 20 Uhr schliesst.

20 Minuten/AG

Für einen Bericht reiste 20 Minuten kurz in den Osten der Ukraine. Das Leben im Donbass steht in einem unheimlichen Kontrast zum hochsommerlichen Kiew. Den Artikel gäbs hier zum Nachlesen.

Der Krieg drückt in Kiew immer durch:

Ob in dem riesigen Wandgemälde …

… in tarnfarbenen SUVs mit (unkenntlich gemachtem) britischem Kennzeichen …

… oder aus dem Nichts auftauchenden Soldaten der Nationalgarde.

Nicht zu vergessen: die ukrainische Alarm-App, die einen oft mehrmals täglich oder in der Nacht vor russischen Angriffen warnt und wieder entwarnt. Das sieht auf dem Handy so aus …

20 Minuten/AG

… und hört sich so an – inklusive Referenz auf «Star Wars»:

Ganz Praktisches aus dem Kiewer Alltag

  • WC-Papier: Natürlich gibt es auch das WC-Papier, das wir in der Schweiz kennen. Mit Rolle und in den Luxusausführungen. Eine andere Variante mit grauem Papier sieht man überall in den Zug-WCs – oder in den Supermärkten in rosa. Diese ukrainische Ausführung kommt, da kein Halterungsloch, rentabler daher. Das Papier ist allerdings sehr rau und weckt Erinnerungen an Sowjetzeiten.

  • In den Kühltruhen und -schränken der Supermärkte fallen unter den Glacés und Eisleckereien eingepackte Würste in verschiedenen Grössen auf. Hier hat sich niemand beim Einsortieren vertan: Es ist tatsächlich Rahmglacé in Wurstform gepackt. Sie werden daheim praktisch in Scheiben geschnitten und nehmen im Kühler weniger Platz ein als die Glacéschachteln und Eisbecher. Gibt es das bei uns auch?

20 Minuten/AG
  • Die Digitalisierung im Kiewer Alltag haut einem um. Das Handyguthaben, die Einzahlungen, die Behördengänge, die ÖV-Billetts und das digitale Zahlen in den Läden sowieso – all das ist hier fast schon selbstverständlich. Diese Entwicklung habe ab 2015 eingesetzt im Rahmen der Anstrengungen der Regierung im Kampf gegen die Korruption, erklären Kiewer.

  • Alles scheint immer offen. So kann man auch am Sonntag bis 22 Uhr shoppen, zum Coiffeur oder Hausarzt gehen. Dass dies bei uns in der Schweiz nicht so ist, stösst hier auf Erstaunen. «Am Wochenende lässt es sich alles doch am besten und stressfreisten erledigen?». Daran, dass Restaurants, Bars, Clubs und die unzähligen 24/7-Kioske wegen der Ausgangssperre jeden Tag jeweils um spätestens 22 Uhr schliessen müssen, haben sich alle gewöhnt.

Geburtstagspartys wie diese finden in Restaurants statt am Abend jetzt am Nachmittag statt.

Geburtstagspartys wie diese finden in Restaurants statt am Abend jetzt am Nachmittag statt.

20 Minuten/AG

Idylle, Fisch und Bier für unter 20 Franken

20 Minuten/AG

Keine Autostunde südlich von Kiew merkt man vom Krieg vorerst rein gar nichts. Der Dnjpro ist hier mitunter so breit, dass man eher ans Meer statt an einen Fluss denkt.

Hobbyfischer tun eben das, sie fischen, allein oder mit ihren Frauen, die sich bräunen. Im Restaurant am Fluss gibt es: drei frische und gegrillte Barsche, zwei Bier, ein Mineral und einen Kaffee - für umgerechnet zwanzig Franken.

Keine Badenden, keine Boote

Erst mit der Zeit fällt auf, dass trotz der hohen Temperaturen niemand badet. Auch Boote sind keine auf dem Wasser, sie liegen alle aufgebockt an Land.

Der Sommer lässt einen manchmal vergessen, dass Kriegsrecht gilt, inlusive Bade- und Schiffahrtverbot. Und doch kursieren in den Sozialen Medien Videos, die überfüllte Strände am Dnjpro zeigen. Die Aufnahmen sind natürlich Jahre alt, aus Friedensszeiten. Jene, die solche Videos verbreiten, werden in ihrem Leben hoffentlich nie erfahren müssen, wie es ist, sich nicht ins kühlende Nass eines Flusses oder Sees stürzen zu dürfen, wenn einem danach ist.

Leopard und Tarnnetze

Nur wenige Autominuten vom Fluss entfernt zeigt sich der Krieg in einem Waldstück: Ein Gepard -Flugabwehrkanonenpanzer schützt die Region mit einem Stromkraftwerk vor Raketen und Drohnen.

20 Minuten/AG
Etwas ausserhalb der Hauptstadt knüpfen Frauen ein Tarnnetz.

Etwas ausserhalb der Hauptstadt knüpfen Frauen ein Tarnnetz.

20 Minuten/AG

20 Minuten/AG

Eindrücke aus der Sommerstadt

In Kiew wurde es ab Mai richtig heiss: Von Eiswind und gefühlten Null Grad im April auf zunächst solide 25 Grad, quasi über Nacht.

Der heisse Sommer in einer Millionenstadt - glaubt man den fluchenden Taxifahrern, ist der Verkehr längst wieder auf Vorkriegsniveau - könnte leicht zum Betonwüstenalbtraum werden.

Im heissen Sommer drohen Teile von Kiew zur Betonwüste zu werden.

Im heissen Sommer drohen Teile von Kiew zur Betonwüste zu werden.

20 Minuten/AG

Nicht in der Hügelstadt Kiew. Der Wind, den man im Winter verflucht, kommt bei dreissig Grad Plus wunderbar daher.

Es gibt überall Parks mit Bänken und zwei grossen botanischen Gärten mitten in der Stadt, einer mit Laub-, der andere mit Nadelbäumen.

Einer der vielen Parks in der Hauptstadt.

Einer der vielen Parks in der Hauptstadt.

20 Minuten/AG

Versteckt entlang der breiten Strassen befriedigen kühle Hinterhöfe mit Cafés und Bars den Schattendurst der Leute. In den Hinterhöfen treffen Leute aus dem ganzen Viertel aufeinander.

In den Hinterhöfen werden Bars betrieben, Anwohner schauen auf einen Schwatz vorbei.

In den Hinterhöfen werden Bars betrieben, Anwohner schauen auf einen Schwatz vorbei.

20 Minuten/AG
Mittwoch, 05.07.2023

«Sie hören täglich, dass die ukrainischen Soldaten sie töten werden»

Die ukrainische Hauptstadt ist zum Auffangbecken für Menschen aus dem ganzen Land geworden, die vor dem Krieg flüchten. Das zeigte sich, als 20 Minuten sich auf der Strasse umhörte, wie es sich in Kiew nach eineinhalb Jahren Krieg im Land lebt.

Am Markt, im botanischen Garten und im Park trifft man auf Menschen nicht nur aus Kiew und Region, sondern auch aus Gebieten, die seit 2014 oder auch erst seit einem Jahr von Russland besetzt sind.

Die Minuten zählen: Drohne oder Rakete?

Die kollektive Schlaflosigkeit in der Millionenstadt ist leicht erklärbar. Vor einigen Wochen waren die unheilvollen, schrillen Sirenen zunächst vor allem in den frühen Morgenstunden und um 23 Uhr ertönt. 

Mittlerweile heulen sie mehrfach, nachts und tagsüber. Gefolgt von Explosionen und mancherorts tödlichem Schrapnell. Die Zuflucht in die Metro ist nach Monaten der Ruhe wieder Teil des Alltags geworden.

Am Abend betten Eltern ihre Kinder in der Wohnung auf Liegestuhlmatratzen in fensterlose Badezimmer oder Korridore. Wird die Stadt von Sirenen geweckt, überfliegen sie die Telegrammkanäle zu den aktuellen Luftangriffen und beginnen, die Minuten zu zählen: Kommen russische Drohnen oder ballistische Raketen? 

Antonina (l.), Kateryna und ihre Hunde auf einer Matratze im Flur ihrer Wohnung in Kiew

Antonina (l.), Kateryna und ihre Hunde auf einer Matratze im Flur ihrer Wohnung in Kiew

Bei einer Drohne bleibt Zeit, in einen öffentlichen Bunker oder eine nahe Metrostation zu gehen. Bei einer Rakete hat man dagegen nur Minuten. Deswegen bleiben viele, wo sie sind: zuhause. Nach Monaten der Angriffe beginnt das Abwägen zwischen Erschöpfung und Sicherheit.

Montag, 03.07.2023

Guten Tag aus Kiew! – «Dobroho dnya z Kyiva!»

Wie es hier ist? Wir zeigens euch vom Rücksitz aus, inklusive Musik, die man hier gerade so hört. «Es ist absolut überraschend, wie ‹normal› Krieg aussehen kann», war die Reaktion aus dem Büro in Zürich. Dieser Schein trügt, der Krieg ist überall. Und doch: Taucht kurz ein in die Hügelstadt.

20 Minuten/AG

Der Fahrdienst «Uber» heisst in der Ukraine übrigens «Uklon». Eine Fahrt mit der zweitbesten Klasse – diese Fahrer gelten als verlässlicher als jene der billigsten Klasse, ob zu recht oder nicht – kostet umgerechnet durchschnittlich 3.60 Franken. Es gibt natürlich auch die beeindruckende Metro, aber wir wollen euch die Stadt ja nicht von unten zeigen.

Freitag, 23.06.2023

«Wir sind jetzt 2000 Kilometer rauf und runter gefahren»

Die Front zieht sich durch mehrere riesige Oblaste der Ukraine. Um dort arbeiten zu können, sind eine Reihe von Genehmigungen für verschiedenfarbige Zonen nötig: rot, gelb, grün.

In die rote Sperrzone ist wegen der laufenden Gegenoffensive der Ukrainer bereits länger keine Presse mehr gelangt. In gelbe Bereiche darf man nur in Begleitung eines Presseoffiziers, «total überbewertet», so heisst es überwiegend.

Fläche: Ukraine hat rund 600'000 km², die Schweiz rund 41'000 km².

Fläche: Ukraine hat rund 600'000 km², die Schweiz rund 41'000 km².

20 Minuten/AG

«Wir sind jetzt 2000 Kilometer rauf und runter gefahren und alles, was wir hören ist: roter Bereich, kein Zugang», berichtet ein Fotograf. «Sie wollen nicht, dass wir etwas sehen», sagt er mit Blick auf ukrainische Truppen- und Materialbewegungen im Rahmen der Gegenoffensive.

«Die Grossen» haben eigene gepanzerte Wagen

Schon werden Zensurvorwürfe laut – gleichzeitig hat das Militär nach der Überraschungsoffensive auf Cherson wohl auch dazugelernt. Vor einem Jahr waren Medien ausgeschwärmt, da hatten die Streitkräfte die Region Cherson noch kaum befreit.

Netzwerke wie CNN oder BBC haben für diesen Krieg längst eigene gepanzerte Wagen gekauft, mit Ex-Armeeleuten als Sicherheitsberater der Medienteams in den Frontregionen. Doch im Moment warten selbst die «Grossen» darauf, ob die Hauptausrichtung der ukrainischen Gegenoffensive erkenn- und schliesslich zugangbarer wird.

«Neue Pflastersteine – jetzt, im Krieg?»

Gleich vorneweg: Ärger über Baustellen im Sommer kennt man auch in der ukrainischen Hauptstadt. Die Arbeiten bei Kiews Prachtsstrasse Kreschatik stossen gerade vielen sauer auf.

20 Minuten/AG

Viel Kunstblut fliesst in den Tiefgaragen grosser Hotels

Wegen der laufenden ukrainische Gegenoffensive, kommen wieder mehr Journalisten aus aller Welt nach Kiew.

In den Tiefgaragen der grossen Hotels finden dieser Tage Erste-Hilfe-Kurse der massiveren Art statt, mit fake Schrapnellwunden, Kunstblut und Turniquets, die an der richtigen Stelle am «zerfetzen» Bein oder Arm zu setzen sind, um korrekt abzubinden.

Keine Übung: Evakuierung unter Beschuss im gefluteten Cherson, 6. Juni.

Keine Übung: Evakuierung unter Beschuss im gefluteten Cherson, 6. Juni.

Einige Medien sind auf dem Weg in Richtung Süden und Saipoischschja, andere halten sich im Donbass im Osten auf – doch derzeit lassen die Checkpoints in Frontnähe niemanden passieren.

Im Zusammenhang mit der laufenden ukrainsichen Gegenoffensive an dieser Stelle eine schamlose Bewerbung einiger Artikel:

«Unterwäsche?» – die Sorgen der Kiewerinnen

Die allnächtlichen Angriffe führen zu einer kollektiven Schlafkrise der Kiewer Bevölkerung – das ist quasi amtlich bestätigt.

Die Anfragen zu Schlafproblemen hätten sich verzehnfacht , heisst es von der Klinik für Schlafstörungen in Kiew. Seit Kriegsbeginn habe sich die Zahl der Patienten etwa verdreifacht.

Hochhaus in Kiew, Mai 2023.

Hochhaus in Kiew, Mai 2023.

Da viele Kiewer und Kiewerinnen seit Wochen nicht mehr durchschlafen können, kommt es während der Angriffe mitunter zu allerhand kurligen Szenen: So sei mitten in der Nacht unter ihren Freundinnen in ihren jeweiligen Badezimmern am Handys eine Diskussion über Slips entbrannt, berichtet eine Bekannte.

Für den Fall, dass eine Rakete Haus oder Wohnung trifft und Sanitäter einen aus den Trümmern hervorziehen müssen – soll man oder soll man nicht die Unterwäsche unter dem Pyjama anbehalten, um sich keine Blösse zu geben?

Über diese Frage sei in der Chatgruppe lebhaft debattiert worden, worüber die Kriegsgeräusche von draussen in den Hintergrund traten, Zeit und Angst verstrichen und es etwas zu lachen gab.

Augenringe

Nach besonders heftigen nächtlichen Angriffen posten Kiewer und Kiewerinnen Selfies und lachen über ihre Augenringe, die sie wie Pandabären aussehen liessen. Auch die 20-Minuten-Reporterin wirkte schon frischer.

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