USA und EuropaVogelgrippe – so sieht die Lage derzeit aus
Der Vogelgrippe-Ausbruch bei Kühen in den USA zieht immer weitere Kreise. Auch in anderen Teilen der Welt bewegt das Virus, das schon lange nicht mehr nur Vögel infiziert. Ein Überblick.
Darum gehts
In den USA breitet sich das Vogelgrippe-Virus H5N1 bei Milchkühen aus, mit mittlerweile über 130 Infektionen in zwölf Bundesstaaten.
Fachleute kritisieren die dünne Datenlage zu den Übertragungen und die langsamen Gegenmassnahmen in den USA.
In anderen Ländern geht man bei Ausbrüchen rigoroser vor.
Experimente des Friedrich-Löffler-Instituts zeigen, dass auch die in Deutschland kursierende Variante des Vogelgrippe-Virus Kühe infizieren kann.
Das Vogelgrippe-Virus ist auf dem Vormarsch. Schon seit einiger Zeit betrifft es nicht mehr nur Vögel, sondern auch zunehmend Säugetiere. Selbst Haustiere kann es treffen. Aktuell schauen viele in die USA, wo sich der Ausbruch bei Rindern immer weiter ausbreitet.
Was heisst: Der Ausbruch breitet sich aus?
Ende März 2024 war das Vogelgrippe-Virus H5N1, ein Influenza-A-Virus, dort erstmals bei Milchkühen entdeckt worden. Auf die Kühe übergesprungen war der Erreger aber wohl schon im Herbst 2023 unbemerkt.
Im Frühjahr wusste man von vier betroffenen Bundesstaaten. Mittlerweile berichtet die US-Gesundheitsbehörde CDC von mehr als 130 H5N1-Infektionen in zwölf Bundesstaaten. Seit dem 3. Juli ist bekannt: Mindestens vier Personen sind nach dem Kontakt mit infizierten Kühen an Vogelgrippe erkrankt – eine in Michigan, eine in Texas und eine nun in Colorado.
Was ist über die Symptome bekannt?
Drei Betroffene zeigten nur Symptome an den Augen. Eine Person wies laut CDC typischere Symptome einer akuten Atemwegsinfektion auf: Der Patient hatte demnach Husten und Augenbeschwerden mit wässrigem Ausfluss, aber kein Fieber. Alle vier sollen sich mittlerweile erholt haben.
Vogelgrippe beim Menschen: nicht immer mild
Die WHO registrierte bislang knapp 900 Vogelgrippe-Infektionen bei Menschen. Rund die Hälfte davon starb. Wie die Erkrankung verläuft, ist auch von der Virusvariante abhängig: So wurde Anfang Juni 2024 der Tod eines Mannes aus Mexiko bekannt, der an H5N2, einem Suptyp der Vogelgrippe, verstarb.
Kurz darauf meldete die Weltgesundheitsorganisation die Infektion eines vierjährigen Kindes aus Indien. Dieses hatte sich mit einem anderen aviären Influenza-A-Subtyp infiziert: H9N2. Das Kind sei Ende Januar mit Fieber, Atemproblemen und Bauchschmerzen zum Kinderarzt gebracht worden, so die DPA. Danach sei es vier Wochen auf der Intensivstation behandelt und dann entlassen worden. Ein paar Tage später habe es wieder ins Spital gemusst, wo es intubiert wurde. Erst am 1. Mai konnte das Kind mit einer Sauerstoffzufuhr aus der Klinik entlassen werden.
Fachleute bewerten Situation in den USA kritisch – aus verschiedenen Gründen
Angesichts der zunehmenden Ausbreitung in den USA zeigen sich Fachleute besorgt. Der Erreger sei bereits in Milchprodukten im Handel aufgetaucht, sagte der Virologe Christian Drosten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ebenso im Abwasser, wie die Gesundheitsbehörde der Stadt Austin (Texas) mitteilte. Drosten sieht in H5N1 sogar einen möglichen Auslöser für eine kommende Pandemie. «Dafür müsste H5N1 jedoch lernen, durch die Luft zu fliegen – wofür es bislang nicht den geringsten Hinweis gibt», schreibt der Virologe Alexander Kekulé in einer Kolumne auf Focus.de.
Auch Isabella Eckerle bezeichnet gegenüber ntv.de das derzeitige Risiko als «überschaubar.» Sie mahnt jedoch zu Wachsamkeit: «Wenn wir eine Übertragung des Vogelgrippe-Virus zwischen Menschen beobachten, wäre es für Massnahmen zur Eindämmung wahrscheinlich bereits zu spät.» Der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (D), Martin Beerm bemängelt, die Datenlage zu den Übertragungen sei dünn und die Gegenmassnahmen liefen nur schleppend an. Bekommen die USA den Erreger nicht in den Griff, «hätte man unter Umständen weltweit eine völlig neue Rinderkrankheit», zitiert ihn die DPA.
Diese Gefahr sieht auch Kekulé: «Infizierte Nutztierbestände gelten als ideale Brutstätte für neue, gefährliche Viruskrankheiten.» Bekämen die US-Behörden das nicht zeitnah in den Griff, «dürfte die Krankheit bei Rindern endemisch werden.» Dann seien als Nutztiere gehaltene und auch wildlebende Paarhufer auf der ganzen Welt in Gefahr.
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So reagieren andere Länder auf Vogelgrippe-Ausbrüche
Wie Gegenmassnahmen bei Vogelgrippe aussehen können, zeigt der Fall eines Ausbruchs im deutschen Bad Bentheim. Dort wurde am Wochenende eine hochansteckende Variante des Virus – der Subtyp H7N5 – in einem Legehennenbetrieb festgestellt. 91’000 Tiere – der gesamte Bestand des Betriebs – wurden getötet. Die Keulung ist ein gängiges Vorgehen bei Vogelgrippe-Ausbrüchen.
In Bad Bentheim wurde um den betroffenen Betrieb zudem eine Schutzzone mit einem Radius von drei Kilometern und eine Überwachungszone mit einem Radius von zehn Kilometern gelegt. Insgesamt sind 317 Betriebe mit rund 1,5 Millionen Tieren betroffen. Diese dürfen nicht mehr aus ihren Ställen, Transporte von Fleisch, Eiern und anderen Erzeugnissen sind untersagt. Zurückgenommen werden können die Massnahmen frühestens nach 21 Tagen. Allerdings nur, wenn kein neuer Fall auftritt.
Finnland impft
Auch in Finnland, wo H5N1 zwischen Juli und Oktober 2023 in 27 Pelztierfarmen nachgewiesen worden war, wurden damals Zehntausende Tiere gekeult. Jetzt ist das Land das erste, das Menschen gegen Vogelgrippe impft (siehe Box), auf freiwilliger Basis. Das Impfangebot besteht für Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, sich mit dem Erreger anzustecken: etwa Tierärztinnen und Tierärzte oder Personen, die auf Vogel- oder Pelzfarmen arbeiten.
Impfstoff gegen Vogelgrippe?
Wie das Science Media Center (SMC) schreibt, hat die WHO Vereinbarungen mit 15 Impfstoffherstellern getroffen, um bei einer Influenzapandemie auf etwa zehn Prozent der Echtzeitproduktion künftiger Grippeimpfstoffe zugreifen zu können. Und die EU-Kommission habe etwa mit Celldemic und Incellipan zwei Impfstoffe der Pharmafirma CSL Seqirus zugelassen, die gegen H5N1 schützen können. Während Celldemic im Vorfeld einer drohenden Pandemie verabreicht werden kann, bedarf es für Incellipan einer offiziellen Ausrufung einer Pandemie durch die WHO, so das SMC. Die finnischen Behörden nutzen dafür «Zoonotic Influenza Vaccine», ebenfalls ein H5-Grippeimpfstoff von Seqirus, der auf dem Virussubtyp H5N8 beruht. Wie gut die Impfung schützt, lässt sich derzeit nicht sagen, weil das Virus H5N1 nicht unter Menschen kursiert. Laut Zulassungsstudien soll eine schützende Immunreaktion ausgelöst werden, berichtet Swr.de.
In der Schweiz soll von 2023 bis 2026 ein neuartiger Tier-Impfstoff gegen Vogelgrippe getestet werden.
Forschende infizieren deutsche Milchkühe
Angesichts des Ausbruchs bei den US-Kühen untersuchten Forschende des Friedrich-Löffler-Instituts, ob die in Deutschland kursierende Variante des Vogelgrippe-Virus ebenfalls Kühe infizieren kann. Dafür infizierten sie auf der Forschungsinsel Riems Milchkühe über das Euter. Dies, weil es dort ähnliche Rezeptoren wie in den Atemwegen von Vögeln gibt.
Das Ergebnis: «Auch das deutsche Virus aus einem deutschen Wildvogel konnte sich im Euter sehr gut vermehren und auch dort kam es zu diesen klinischen Symptomen, die sich hauptsächlich durch Fieber am Anfang und diesem starken Milchrückgang äussern. Auch dort finden wir hohe Virusmengen in der Milch», so Martin Beer im NDR-Fernsehen. Entsprechend mahnt auch er, die Entwicklungen ernst zu nehmen.
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