Antisemitismus in unserer Kommentarspalte

Aktualisiert

Wir müssen redenAntisemitismus ist in unserer Kommentarspalte ein No-go

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat der Hass gegen Jüdinnen und Juden stark zugenommen. Auch in unserer Kommentarspalte beobachten wir mehr antisemitische Äusserungen. Wieso ist dies so? Und welche Inhalte gelten eigentlich als antisemitistisch – und werden von uns gelöscht? 

Einschätzung 20 Minuten: Verallgemeinerung und Abwertung: In diesem Kommentar werden alle in der Schweiz lebenden jüdischen Menschen diskriminiert. Gleichzeitig wird suggeriert, dass jüdische Menschen keine Schweizer*innen sind und kein Recht auf einen Aufenthalt in der Schweiz haben. Kommentar abgelehnt. 
Einschätzung 20 Minuten: Verschwörungstheorie: Jüdischen Menschen wird hier unterschwellig unterstellt, dass sie die Ursache für die Corona-Pandemie sind und daher die Entwicklungen früher vorhersehen können als andere. Diesem Kommentar liegt verschwörungsideologisches Denken mit antisemitischen Narrativen zugrunde. Es wird suggeriert, dass jüdische Menschen im Geheimen viel Macht besitzen und anderen Menschen absichtlich Leid zufügen, um vermeintliche Pläne zu erreichen. Kommentar abgelehnt. 
Einschätzung 20 Minuten: Dieser Kommentar ist zulässig, da er keine Diskriminierungen enthält. Kommentar freigeschaltet. 
1 / 13

Einschätzung 20 Minuten: Verallgemeinerung und Abwertung: In diesem Kommentar werden alle in der Schweiz lebenden jüdischen Menschen diskriminiert. Gleichzeitig wird suggeriert, dass jüdische Menschen keine Schweizer*innen sind und kein Recht auf einen Aufenthalt in der Schweiz haben. Kommentar abgelehnt. 

20 Minuten 

Darum gehts: 

2021 hat sich die Zahl der Attacken gegen jüdische Menschen gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Das zeigt der Antisemitismusbericht 2021 des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG und der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA. 

«Schon seit Beginn der Corona-Pandemie beobachten wir eine starke Zunahme von antisemitischen Verschwörungstheorien im Netz und in Telegram-Chats», sagt Dina Wyler, Geschäftsführerin der GRA. Die Einteilung der Welt in ‹Gut› und ‹Böse› schaffe Sicherheit und ein vermeintlicher Sündenbock helfe, mit vielen Unsicherheiten während Krisenzeiten umzugehen. Darunter leiden die rund 20’000 Jüdinnen und Juden, die in der Schweiz leben. «Dass vor allem die Jüdinnen und Juden als treibende und profitierende Kräfte der Pandemie dargestellt werden, ist kein Zufall. Denn die aktuellen Verschwörungserzählungen bauen auf bereits existierenden antisemitischen Mythen auf.» Jüdinnen und Juden, die immer wieder Ausgrenzungen, Pogrome und Diskriminierung erlebt hätten, seien immer wieder für lokale und globale Krisen verantwortlich gemacht worden – wie etwa die Pest, so Wyler. 

Auch in unserer Kommentarspalte sind in den vergangenen Monaten mehr antisemitistische Äusserungen eingegangen. Doch was zählt eigentlich zu Antisemitismus? Anhand von echten Beispielkommentaren zeigen wir euch, wieso wir gewisse Inhalte löschen, andere freischalten und warum es manchmal ganz knifflig wird, diese Entscheidung zu fällen.  Zu Sensibilisierungszwecken zeigen wir oben in der Bildstrecke ausnahmsweise Äusserungen, die wir in unserer Kommentarspalte nicht veröffentlichen würden bzw. nie veröffentlicht haben. Während die Inhalte der Kommentare echt und so bei 20 Minuten eingegangen sind, sind die Namen der User*innen sowie die Kommentierdaten frei erfunden. Die fachliche Beratung machte Dina Wyler, Geschäftsführerin Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA). 

Jüdinnen und Juden seien immer wieder für lokale und globale Krisen verantwortlich gemacht worden, sagt Dina Wyler, Geschäftsleiterin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA).

Jüdinnen und Juden seien immer wieder für lokale und globale Krisen verantwortlich gemacht worden, sagt Dina Wyler, Geschäftsleiterin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA). 

Privat 

Das gilt bei 20 Minuten 

Grundsätzlich werden alle Inhalte, die unter die schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer «Rasse», Ethnie oder Religion herabsetzen oder zu Hass aufrufen, nicht publiziert. Darunter fallen abwertende oder diskriminierende Begriffe und Othering: «Das bedeutet, jemanden zur oder zum Anderen zu machen, von dem man sich zum Beispiel mittels eines Online-Kommentars abgrenzt», sagt Dina Wyler. Insbesondere achten wir darauf, wie ein Kommentar auf Minderheiten wirken kann. Denn: «Diskriminierenden Aussagen liegt meist eine ganze Struktur an Diskriminierung zugrunde, basierend auf historischen Gegebenheiten wie Sklaverei und Kolonialismus», so Wyler. «Mit entsprechenden Kommentaren werden diese Erfahrungen wieder in Erinnerung gerufen und gesellschaftlich in der Gegenwart gefestigt und verankert.»

Mini-Glossar

Täglich finden in unserer Kommentarspalte hunderte von Diskussionen statt. Was ist dort eigentlich zugelassen – was ist ein No-go? In unserer Artikelserie «Wir müssen reden» beleuchten wir verschiedene Arten von Hate-Speech.

Folge 2: Antisemitismus 

Folge 5: Rassismus 

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

My 20 Minuten

Deine Meinung zählt

58 Kommentare