Wir müssen redenAntisemitismus ist in unserer Kommentarspalte ein No-go
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat der Hass gegen Jüdinnen und Juden stark zugenommen. Auch in unserer Kommentarspalte beobachten wir mehr antisemitische Äusserungen. Wieso ist dies so? Und welche Inhalte gelten eigentlich als antisemitistisch – und werden von uns gelöscht?
Darum gehts:
2021 hat sich die Zahl der Attacken gegen jüdische Menschen gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Das zeigt der Antisemitismusbericht 2021 des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG und der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA.
«Schon seit Beginn der Corona-Pandemie beobachten wir eine starke Zunahme von antisemitischen Verschwörungstheorien im Netz und in Telegram-Chats», sagt Dina Wyler, Geschäftsführerin der GRA. Die Einteilung der Welt in ‹Gut› und ‹Böse› schaffe Sicherheit und ein vermeintlicher Sündenbock helfe, mit vielen Unsicherheiten während Krisenzeiten umzugehen. Darunter leiden die rund 20’000 Jüdinnen und Juden, die in der Schweiz leben. «Dass vor allem die Jüdinnen und Juden als treibende und profitierende Kräfte der Pandemie dargestellt werden, ist kein Zufall. Denn die aktuellen Verschwörungserzählungen bauen auf bereits existierenden antisemitischen Mythen auf.» Jüdinnen und Juden, die immer wieder Ausgrenzungen, Pogrome und Diskriminierung erlebt hätten, seien immer wieder für lokale und globale Krisen verantwortlich gemacht worden – wie etwa die Pest, so Wyler.
Auch in unserer Kommentarspalte sind in den vergangenen Monaten mehr antisemitistische Äusserungen eingegangen. Doch was zählt eigentlich zu Antisemitismus? Anhand von echten Beispielkommentaren zeigen wir euch, wieso wir gewisse Inhalte löschen, andere freischalten und warum es manchmal ganz knifflig wird, diese Entscheidung zu fällen. Zu Sensibilisierungszwecken zeigen wir oben in der Bildstrecke ausnahmsweise Äusserungen, die wir in unserer Kommentarspalte nicht veröffentlichen würden bzw. nie veröffentlicht haben. Während die Inhalte der Kommentare echt und so bei 20 Minuten eingegangen sind, sind die Namen der User*innen sowie die Kommentierdaten frei erfunden. Die fachliche Beratung machte Dina Wyler, Geschäftsführerin Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA).
Das gilt bei 20 Minuten
Grundsätzlich werden alle Inhalte, die unter die schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer «Rasse», Ethnie oder Religion herabsetzen oder zu Hass aufrufen, nicht publiziert. Darunter fallen abwertende oder diskriminierende Begriffe und Othering: «Das bedeutet, jemanden zur oder zum Anderen zu machen, von dem man sich zum Beispiel mittels eines Online-Kommentars abgrenzt», sagt Dina Wyler. Insbesondere achten wir darauf, wie ein Kommentar auf Minderheiten wirken kann. Denn: «Diskriminierenden Aussagen liegt meist eine ganze Struktur an Diskriminierung zugrunde, basierend auf historischen Gegebenheiten wie Sklaverei und Kolonialismus», so Wyler. «Mit entsprechenden Kommentaren werden diese Erfahrungen wieder in Erinnerung gerufen und gesellschaftlich in der Gegenwart gefestigt und verankert.»
Mini-Glossar
Täglich finden in unserer Kommentarspalte hunderte von Diskussionen statt. Was ist dort eigentlich zugelassen – was ist ein No-go? In unserer Artikelserie «Wir müssen reden» beleuchten wir verschiedene Arten von Hate-Speech.
Folge 1: Sexismus gegen Frauen
Folge 2: Antisemitismus
Folge 3: Queerfeindlichkeit
Folge 4: Muslimfeindlichkeit
Folge 5: Rassismus
Folge 6: Hass gegen Journalist*innen
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143