AufklärungSchüler wissen zu wenig über Sex – jetzt reagiert die Politik
Eine Befragung von 15-jährigen Schülern im Kanton Basel-Stadt zeigt, dass die Jugendlichen grosse Wissenslücken haben, wenn es um Geschlechtskrankheiten geht. Die Hälfte der Befragten konnte Fragen zu HPV- und HIV-Impfungen nicht richtig beantworten.
Bei der Sexualaufklärung haben jugendliche Befragte aus Basel-Stadt grosse Wissenslücken. Auch bei einer Strassenumfrage von 20 Minuten zeigt sich, dass sich viele nach dem Sexualkundeunterricht nicht richtig aufgeklärt fühlten.
20minEine Befragung von 15-Jährigen im Kanton Basel-Stadt zeigt, dass die Jugendlichen grosse Lücken haben, wenn es um Sexualkunde geht. Offenbar machen viele Schulen hier ihren Job nur mangelhaft: Zwölf Prozent der Befragten geben an, keinen Sexualkundeunterricht bekommen zu haben. Nur die Hälfte (50,8 Prozent) wusste, dass es keine Impfung gegen Aids gibt (siehe unten).
Kantone prüfen Unterrichtsqualität nicht
Ob andere Schulen besser über Sexualkunde aufklären, weiss niemand so genau. Weder Zürich oder Bern noch Luzern prüft das Wissen der Schülerinnen und Schüler oder die Qualität des Sexualkundeunterrichts, wie sie auf Anfrage von 20 Minuten sagen. Folglich lägen auch keine Hinweise auf ungenügende Aufklärung vor.
Sexuelle Gesundheit Schweiz kritisiert
Scharfe Kritik übt der Dachverband «Sexuelle Gesundheit Schweiz»: «Die Sexualaufklärung in der Deutschschweiz ist ein Flickenteppich», sagt Céline Berset. Es gebe grosse regionale Unterschiede, was die Anzahl Lektionen der schulischen Sexualaufklärung anbelange. Der Dachverband stellt eine Reihe von Forderungen:
Flächendeckende Sicherstellung, dass Schülerinnen und Schüler eine ganzheitliche Sexualaufklärung erhalten.
Die Kantone sollen klare Konzepte zur ganzheitlichen Sexualaufklärung vorlegen.
Ressourcen sollen zur Verfügung gestellt werden für die Entwicklung von wissenschaftlich fundiertem, pädagogischem Unterrichtsmaterial rund um die Themen der sexuellen Gesundheit.
Sie glauben, Bescheid zu wissen – doch der Test zeigt was anderes
Jugendliche in Basel-Stadt gehen davon aus, dass sie über Sexualaufklärung gut Bescheid wissen. Eine Befragung zeigt aber grosse Wissenslücken. Über die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) wusste der Grossteil der Jugendlichen nicht Bescheid. Nicht mal die Hälfte, nur 42,9 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, hatte Kenntnis davon, dass es eine Impfung gegen HPV gibt. Bei HIV/Aids kommt die Umfrage zu einem ähnlichen Ergebnis: Nur die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler wusste, dass man gegen diese Krankheit nicht impfen kann. Ein Viertel glaube, es gebe eine Impfung, ein Viertel wusste gar nichts dazu. Mehr als jeder Zehnte gab an, in der Schule gar nie Sexualkundeunterricht gehabt zu haben. Die Jugendlichen gaben dann auch an, gern mehr über Geschlechtskrankheiten zu erfahren.
Auch die Politik ist unzufrieden
Kritik kommt auch aus der Politik. Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt fordert, dass der Unterricht an den Wissensstand der Schülerinnen und Schüler angepasst wird: «Es braucht die nötige Flexibilität der unterrichtenden Person, um sich erst ein Bild vom Wissensstand der Klasse zu machen und danach die Wissenslücken zu schliessen.» Sicher gehöre der Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten genauso dazu wie das Recht darauf, «Nein» zu sagen.
Für Mitte-Nationalrat Lorenz Hess sind die Ergebnisse der Jugendbefragung «relativ bedenklich», wie er auf Anfrage sagt. «Dass das Wissen über Aids abnimmt, ist ein schlechter Trend – man verliert so auch den Respekt vor der Krankheit», so Hess. «Es könnte auch sein, dass mit dem riesigen Raum, den man den Gender-Debatten gegeben hat, die ‹Basics› der Sexualaufklärung vergessen gingen», spekuliert er.
So wehrt sich der Lehrerverband
Laut Beat Schwendimann, Leiter Pädagogik des Dachverbands der Lehrpersonen, ist Sexualkundeunterricht im Lehrplan 21 verankert. Schwendimann nimmt aber auch die Eltern in die Pflicht. «Die Sexualerziehung gehört in erster Linie in den Verantwortungsbereich der Eltern.» Die Schule übernehme dabei lediglich «eine ergänzende» Aufgabe. Klar ist aber: Der Lehrplan 21 sieht das Vermitteln von altersgemässem Grundwissen über menschliche Fortpflanzung, sexuell übertragbare Krankheiten und Verhütungsmöglichkeiten vor.
Politik will handeln
Der Nationalrat nahm im letzten Jahr ein Postulat von FDP-Nationalrat Philippe Nantermod an, der eine Analyse der Standards im Bereich der schulischen Sexualaufklärung in der Schweiz fordert. Im Bericht soll die Qualität der Sexualaufklärung ins Auge gefasst werden.
Hast du Fragen zu Beziehung, Liebe oder sexueller Gesundheit?
Hier findest du Hilfe:
Lilli.ch, Onlineberatung
Tschau, Onlineberatung
Feel-ok, Informationen für Jugendliche
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147