Einst stolzer Auto-GigantAusgerechnet Deutsche kaufen nun Autos aus China
Die Blütezeit der deutschen Autoindustrie ist wohl vorbei. Während VW spart, wird die chinesische Konkurrenz bald überall in Deutschland zu sehen sein.
Darum gehts
Die deutsche Automobilindustrie baut Tausende Stellen ab.
Sie hinkt chinesischen Herstellern Jahre hinterher.
Neuer Sponsor der Fussball-WM in Deutschland ist statt VW neu BYD.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag ein Grossteil Deutschlands in Trümmern. Doch den unerwarteten schnellen Aufstieg darauf sehen viele als Wirtschaftswunder.
Als Motor für die Wohlstandsgesellschaft gilt die deutsche Automobilindustrie. 1945 begann im unter britischer Militärverwaltung stehenden Werk in Wolfsburg die Serienproduktion der Volkswagen Limousine. Der kultige Käfer wurde zu einem der meistverkauften Autos der Welt.
Die wichtigste Industrie fällt ab
Die Automobilbranche wurde gemessen am Umsatz zum mit Abstand bedeutendsten Industriezweig in Deutschland. Die deutsche Autoindustrie beschäftigt laut einer Studie allein in Wolfsburg fast die Hälfte aller Angestellten der Stadt. Weitere 47 der 400 deutschen Städte und Landkreise sind stark von den Arbeitsplätzen in der Branche abhängig.
Doch die einst so stolze Industrie ist bei der Anzahl produzierter Autos nur noch auf Platz sechs. Anfang 2023 überholte China die deutschen Autohersteller erstmals beim Export und drängt auf den europäischen Markt.
VW drosselt Produktion
Das Qualitätslabel Made in Germany verliert an Wert. VW schockte die Experten im Herbst, als der Auto-Gigant die Produktion wegen sinkender Nachfrage in Deutschland für mehrere Wochen drosselte und Hunderte Angestellte entliess.
Der Abwärtstrend in der deutschen Automobilindustrie zeige sich schon länger, sagt Philipp Kronenberg von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zu 20 Minuten. Probleme in der deutschen Wirtschaft gebe es bei der Digitalisierung, der Infrastruktur und der Energietransformation und das wirke sich auch auf die Automobilbranche aus.
Tausende Jobs fallen weg
Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte treiben hohe Energiekosten besonders im Maschinenbau und in der Automobilindustrie viele Unternehmen ins Ausland. 69 Prozent der Firmen in diesen Branchen berichten von Verlagerungen.
Grosse Autozulieferer wie ZF, Bosch und Continental kündigten bereits den Abbau von Zehntausenden Jobs an. Der 250 Jahre alte Autozulieferer Eisenwerk Hasenclever mit 840 Mitarbeitenden meldete derweil Insolvenz an.

Automobilzulieferer wie ZF bauen Tausende Stellen ab.
imago images / photothekGleichzeitig steht die Industrie durch die Umstellung auf E-Autos vor dem wohl grössten Umbruch ihrer Geschichte. Branchenexperte Stefan Bratzel vom deutschen Center of Automotive Management sagte in der «Tagesschau», dass durch die Transformation bis zu 160'000 Jobs in der Branche wegfallen.
Deutschland hinkt China hinterher
Klassische Autobauer müssten sich in Richtung Softwareunternehmen entwickeln, täten sich aber enorm schwer. Dabei ist China beispielsweise beim autonomen Fahren und der Sprachsteuerung von Autos bereits um zehn Jahre voraus, sagte Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer zur «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Während der Abgasskandal in Deutschland BMW einholt, drängen chinesische Hersteller mit günstigen E-Autos auf den Markt. Das wird im Sommer besonders sichtbar sein. Statt zuletzt VW ist nun der chinesische Hersteller BYD neuer Sponsor der Fussball-Europameisterschaft. Ausgerechnet im Autoland Deutschland werden die Stadien dann die chinesische Marke zeigen. VW wollte das Sponsoring nicht mehr verlängern, wie Sprecher Gerd Voss zur «WirtschaftsWoche» sagt. VW wolle Kosten senken.
Könntest du dir vorstellen, eine chinesische Automarke zu kaufen?
Laut einer Studie könnte bald ein Viertel aller E-Autos in Deutschland aus China stammen. Wenn die EU und damit auch Deutschland am Verbot für Verbrennermotoren ab 2035 festhalten, werden sich chinesische Elektroautos durchsetzen, sagt Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann von der Universität Zürich. «Diese Frist wäre verheerend, es fehlen die Rohstoffe und die Kapazitäten für den Batteriebau und auch die Experten dafür», so Straumann.

Zerfall Deutschlands.
20 Minuten/Jonathan MüllerJetzt profitieren andere Regionen
Auch für Wirtschaftssoziologin Katja Rost von der Universität Zürich zeichnet sich ab, dass die Blütezeit der deutschen Autoindustrie vorbei ist. Deutschland habe zu lange an veralteten Technologien gehangen und es verpasst, rechtzeitig nach anderen Lösungen zu suchen.
Artikelserie zu Deutschlands Krise
Dies ist ein Artikel der 20-Minuten-Serie über die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland:
1. Artikel: Krise total: Läuft Deutschland auf Grund?
2. Artikel: Gangs, Gewalt und Übergewicht: Die Symptome
3. Artikel: Ausgerechnet Deutsche kaufen nun Autos aus China
Ab Mittwoch online und im Print:4. Artikel: Deutsche Wirtschaftskrise befeuert Zuwanderung in die Schweiz
5. Artikel: Jetzt fordert die Schweizer Wirtschaft neue Handelspartner
6. Artikel: Wird Deutschland für die EU nun das neue Italien?
Ab Donnerstag online und im Print:7. Artikel: Wer ist eigentlich Schuld am ganzen Schlamassel?
8. Artikel: Deutschlands Krise hat einen grossen Profiteur
9. Artikel: Was Deutschland jetzt tun muss
Eine Wachablösung sei aber ganz normal. «Das gab es immer wieder in der Geschichte. Rom oder Paris waren auch einmal die Zentren der Welt. Es sind Zufallseffekte, von denen Deutschland profitiert hatte und jetzt profitieren andere Regionen wie das Silicon Valley von Innovationen in Garagenfirmen durch Zufall», so Rost.
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