Wird Deutschland für die EU das neue Italien?

Aktualisiert

Lange Rezession drohtWird Deutschland für die EU das neue Italien?

Bislang ist Deutschland der mit Abstand grösste Nettozahler in der EU. Kann sich der Staatenverbund einen Absturz des Wirtschaftsriesen leisten?

Deutschlands Wirtschaft schrumpft und droht abzustürzen wie einst Italien oder Griechenland.
Nun dürften in der EU die Differenzen zunehmen, sagt Matthias Geissbühler von Raiffeisen Schweiz.
Wenn Deutschland schwächelt, wird auch Europa ärmer, sagt Soziologieprofessorin Katja Rost.
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Deutschlands Wirtschaft schrumpft und droht abzustürzen wie einst Italien oder Griechenland.

IMAGO/Werner Lerooy

Schwache Wirtschaft in Deutschland: Darum gehts

  • Deutschlands Wirtschaftskraft sinkt.

  • Das hat fatale Auswirkungen auf die anderen EU-Länder.

  • Der EU droht eine Zerreissprobe.

Deutschlands Wirtschaft entwickelt sich negativ und Besserung scheint nicht in Sicht. Auch im laufenden Jahr droht ein Rückgang. «Nachdem Länder wie Griechenland oder Italien lange in der Krise waren, könnte man zugespitzt sagen, dass Deutschland mittlerweile das neue Italien ist», sagt Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen Schweiz.

Die Krise Deutschlands hat massive Auswirkungen auf die EU. Seit dem Austritt Grossbritanniens aus dem Staatenverbund ist Deutschland gemeinsam mit Frankreich die mit Abstand wichtigste Kraft im Wirtschaftsraum. Deutschland zahlt fast 20 Milliarden Franken in die EU ein – doppelt so viel wie Frankreich und fünfmal so viel wie Italien. Kann sich die EU das leisten?

Jetzt drohen Spannungen

«Für die EU wird es eine enorme Herausforderung», sagt Geissbühler. Er rechnet mit politischen Spannungen. Nachdem die EU seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg zusammengerückt sei, könnten die Differenzen jetzt wieder zunehmen. Zum Bruch der EU oder der Trennung von einzelnen Ländern komme es aber wohl nicht.

Für England sei der Brexit trotz eigener Währung schmerzhaft gewesen, für ein Land mit dem Euro als Währung sei ein Austritt aus der EU ohne massive Verwerfungen fast nicht zu bewerkstelligen. «Die EU-Mitglieder müssen sich auf Gedeih und Verderb finden, aber das wird nicht einfach», so Geissbühler.

Die EU sei nun ohnehin in einer schwierigen Position in Zeiten der Energiewende und der Zuspitzung zwischen den Weltmächten USA und China. Es sei fraglich, ob die EU eine Position finden könne, um Handelspartnern von beiden Ländern sein zu können oder ob sie sich früher oder später für eine Seite entscheiden müsse.

Indien holt zur EU auf

Andere Regionen wie Indien holen durch die Schwäche Deutschlands zur EU auf, sagt Soziologieprofessorin Katja Rost. Europa werde ärmer, während in anderen Ländern der Reichtum steige. «Das kann man auch positiv sehen, schliesslich waren Armut und Reichtum bisher ungleich verteilt», so Rost. Für die Menschen in der EU bedeute das, dass sie sich in Zukunft nicht mehr so viel leisten könnten und abhängiger von anderen Regionen werden.

Unter Schwächephase leidet auch der Eurokurs

Eine lang andauernde wirtschaftliche Schwäche Deutschlands könnte die finanzielle und politische Stabilität der EU belasten, sagt auch Philipp Kronenberg von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Allerdings sei die Lage Deutschlands noch nicht so schlimm wie einst in Italien oder Griechenland. In diesen Ländern habe es eine hohe Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung gegeben, wovon Deutschland derzeit noch weit entfernt sei.

Kaufst du mehr in der EU ein, wenn der Euro weiter fällt?

Doch schon jetzt dürfte der Euro unter der schwachen Wirtschaft in Deutschland leiden. Denn eine tiefere Nachfrage nach Produkten im Euroraum bedeute eine tiefere Nachfrage nach Euros. Die Europäische Zentralbank könnte sich nun dazu veranlasst sehen, früher als bisher geplant mit ersten Zinssenkungen zu beginnen, was den Euro weiter schwächen würde, so Kronenberg. 

Artikelserie zu Deutschlands Krise

Dies ist ein Artikel der 20-Minuten-Serie über die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland:

Zerfall Deutschlands.

Zerfall Deutschlands.

20 Minuten/Jonathan Müller

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