Schweden: Jugendliche und Drogenbosse – diese 40 Gangs bekriegen sich in Stockholm

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Kriminelle Netzwerke«Fuchs und Bros» vs. «Grieche» – die 40 brutalen Gangs von Stockholm

Interne Konflikte, blutige Rachespiralen und kriminelle Allianzen: In und um Stockholm haben 40 Gangs und Netzwerke das Sagen.

20 Minuten war vor Ort in Stockholm und hat mit Anwohnern, direkt Betroffenen und der Polizei gesprochen.

20min/Noah Knüsel und Christina Pirskanen

Darum gehts

  • Seit Anfang Jahr ist es in der Region rund um die schwedische Hauptstadt Stockholm bereits zu 37 Schiessereien gekommen, sechs Menschen starben.

  • Viele der Ereignisse lassen sich auf einen Konflikt zwischen dem «kurdischen Fuchs» und dem «Griechen» zurückführen.

  • Doch auch andere Gangs befinden sich in brenzligen Konfliktlagen.

  • Auf der Karte siehst du, welche 40 Gangs in Stockholm das Sagen haben.

In Stockholm herrscht ein tödliches Chaos: Morde, Schiessereien und Polizeieingriffe stehen fast auf der Tagesordnung. Anfang März werden innert fünf Tagen vier Menschen ermordet – im Schnitt kam es seit Januar jeden zweiten Tag zu einer Explosion oder Schiesserei.

Seit Anfang 2023 zählen die Behörden in Stockholm 39 Schiessereien, wobei sechs Menschen starben. Dazu gab es 14 Detonationen – 20 konnten während der Vorbereitung verhindert werden. Doch wer steckt hinter der brutalen Gewalt?

Konflikt «Fuchs versus Grieche»

Im Fokus des Konflikts steht der «kurdische Fuchs» (36), wie er in schwedischen Medien genannt wird. Er gilt als einer der grössten Drogenhändler des Landes und ist mehrfach vorbestraft. Er selbst befindet sich nicht mehr in Schweden, sondern steuert sein Netzwerk aus der Türkei – gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl vor.

Der Journalist und Szenekenner Diamant Salihu stand mit ihm in Kontakt: Der «Fuchs» habe ihm erzählt, wie er die türkische Staatsbürgerschaft erhalten habe und somit nicht an Schweden ausgewiesen werde. Sein Netzwerk «Foxtrot» besteht aus zahlreichen Allianzen mit anderen Netzwerken, wie dem Bro-Netzwerk und dem Netzwerk Zero von Jordbro (siehe Karte).

Auslandsaufenthalt begünstigt Eskalation

«Der Grieche» (24), wie er genannt wird, ist der Gegenspieler des Fuchses. Er ist laut schwedischer Polizei eine leitende Figur im Dalen-Netzwerk (siehe Karte). Auch er soll sich im Ausland befinden. Der Auslandsaufenthalt der beiden Anführer treibt die Eskalation weiter an: Sie sind für die rivalisierende Gang und andere Konkurrenten unantastbar. Dadurch geraten Angehörige und Familienmitglieder der Kriminellen ins Visier.

«Es geht um Macht, um die Kontrolle des Drogenmarkts und um Status», erklärt Salihu. Die beiden Netzwerke kämpfen laut Polizei vor allem um den Drogenmarkt in Stockholm. Die blutige Bilanz: In den ersten zwei Monaten des neuen Jahres brachte die Polizei fünf Morde, 15 Mordversuche und 13 Explosionen mit dem Konflikt in Verbindung. 

Auch in Väsby bekriegen sich rivalisierende Gangs.

Auch in Väsby bekriegen sich rivalisierende Gangs.

Polisen

Weitere Gangs in Konflikten

Auch andere Gangs fechten gewaltsame Konflikte aus. 2022 eskalierte ein Konflikt zwischen zwei Untergruppen des Södertälje-Netzwerks (siehe Karte). Das führte zu sieben Morden. Als der Konflikt im Herbst seinen Höhepunkt erreichte, vereinte die Polizei ihre Kräfte und hat laut eigenen Angaben mindestens vier weitere Morde verhindern können.

Die letzte Tötung mit Verbindung zum Netzwerk soll im März dieses Jahres geschehen sein: In Flemingsberg im Süden Stockholms wurde ein 30-jähriger Mann in Anwesenheit seiner neunjährigen Tochter erschossen. Das Opfer war der Polizei als leitende Figur im Södertälje-Netzwerk bekannt.

In Farsta schwelt ein Konflikt zwischen dem Farsta-Fagersjö-Netzwerk und den Farsta-Ausbrechern. Zwischen dem Hambo-Netzwerk und der Headshotliga (HSL) aus Tensta ist die Konfliktlage angespannt. Im Süden Stockholms gehen laut polizeilichen Ermittlungen das Flemingsberg-Netzwerk und das May-Netzwerk zusammen gegen Teile des Botkyrka-Netzwerks vor.

Die Farsta-Ausbrecher waren früher Teil des Farsta-Fagersjö-Netzwerks. Aufgrund eines Mordes spaltete sich ein Teil des Netzwerks ab und befindet sich seither mit der ursprünglichen Gang im Konflikt.

Die Farsta-Ausbrecher waren früher Teil des Farsta-Fagersjö-Netzwerks. Aufgrund eines Mordes spaltete sich ein Teil des Netzwerks ab und befindet sich seither mit der ursprünglichen Gang im Konflikt.

Polisen

Anführerlose Gangs

Derzeit sitzen laut Polizei 452 Personen aus dem Gang-Milieu hinter Gittern oder in Untersuchungshaft – eine rekordhohe Anzahl. Das Problem dabei: Viele der Festgenommenen waren leitende Figuren in den Gangs. Ihre Abwesenheit führte dazu, dass innerhalb der Gang Konflikte um die Nachfolge entbrannten. «Es entsteht ein Machtvakuum, wenn die Führungspersonen verschwinden», erklärt Salihu. «Viele junge Kriminelle haben jetzt keinen Anführer mehr – das macht sie gewalttätiger, impulsiver und sehr gefährlich.» 

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