Der al-Assad-ClanBaschar verdankt seine Karriere dem Autounfall seines Bruders
Der Sturz Baschar al-Assads beendete die Diktatur des Assad-Clans in Syrien nach 54 Jahren. Die Familie regierte Syrien mit eiserner Hand und prägte die Geschichte der ganzen Region.
Die al-Assads: Darum gehts
Der Sturz Baschar al-Assads beendet die 54 jahre dauernde Diktatur des Assad-Clans in Syrien.
Die Herrschaft begann 1970 mit Hafiz al-Assad, der durch einen Putsch an die Macht kam und mit harter Hand regierte.
Sein ältester Sohn Basil, ursprünglich als Nachfolger vorgesehen, starb 1994 bei einem Autounfall.
Schliesslich übernahm Baschar al-Assad 2000 die Macht und wurde anfangs als Hoffnungsträger gesehen. Doch auch er führte bis zu seinem Sturz im Dezember brutal.
Auch Baschars jüngerer Bruder Maher al-Assad soll in den 1990ern als möglicher Thronfolger diskutiert worden sein. Er galt jedoch als zu impulsiv.
Der syrische Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt. Damit endet ein halbes Jahrhundert Diktatur in dem vorderasiatischen Staat. Begonnen hatte sie 1970. Damals hatte sich Hafiz al-Assad, der Vater des letzten Diktators, an die Staatsspitze geputscht. Begonnen hatte er aber ganz unten.
Hafiz al-Assad: der erste Diktator der Familie
Aufgewachsen war der 1930 geborene Hafiz al-Assad in einer armen Bauernfamilie. Die Familie gehörte der Religionsgemeinschaft der Alawiten an – einer Minderheit. Als erstes Mitglied seiner Familie erwarb er eine höhere Schulbildung. Nach dem Abschluss besuchte er die Militärakademie in Homs, wo er zum Kampfpiloten ausgebildet wurde. 1957 heiratete Hafiz al-Assad die Syrerin Anisa Machluf, mit der er insgesamt sechs Kinder hatte. Das erste starb kurz nach der Geburt. Ein weiteres – Sohn Majed al-Assad – 2009 nach langer Krankheit.
Schon als Jugendlicher war Assad der Baath-Partei beigetreten, die sich für die Bildung eines gesamtarabischen, sozialistischen Staates einsetzte. Als die Baath-Partei 1963 in Syrien die Kontrolle übernahm, wurde er Chef der Luftwaffe. Nach dem Sturz der zivilen Regierung 1966 stieg er zum Verteidigungsminister auf. 1970 liess er Salah al-Jadid, seinen Mentor und faktischen Führer Syriens, festnehmen und riss die Macht an sich.
In der Folge rüstete Assad die Streitkräfte mit der Hilfe Moskaus massiv auf. Gleichzeitig verfolgte er gnadenlos die Opposition, was 1982 in der Zerstörung der Stadt Hama mit 20’000 Toten gipfelte, nachdem die sunnitische Muslimbruderschaft dort einen Aufstand angezettelt hatte. 1976 griff er in den Bürgerkrieg im Libanon ein, den Syrien im Anschluss bis 2005 faktisch kontrollierte. Mit der irakischen Baath-Partei unter Diktator Saddam Hussein verband ihn eine tiefe Rivalität, weshalb er sich im ersten Golfkrieg (1980 – 1988) auf die Seite des Irans schlug und im zweiten Golfkrieg (1990 – 1991) als Teil der US-Allianz gegen Saddam kämpfte. Diese Zusammenarbeit führte zu freundschaftlicheren Beziehungen zu den westlichen Regierungen, die zuvor Assads Unterstützung des Terrorismus verurteilt hatten. Eine Annäherung an Israel scheiterte in den 1990er-Jahren am Status der von Israel besetzten Golanhöhen. 2000 starb Hafiz al-Assad.
Al-Assad war zunächst nur ein Spitzname
Der Familienname des Clans war nicht immer al-Assad (arabisch für «der Löwe»). Er geht auf den Vater von Hafiz zurück: Ali Sulayman al-Wahsch (1875–1963). Dieser wurde von seinem Umfeld «Löwe» genannt – wegen seines Einsatzes für die Rechte der Alawiten. Verschiedenen Quellen zufolge nahm Al-Wahsch diesen Spitznamen 1927 als Familiennamen an.
Basil al-Assad: der Älteste, der eigentlich für die Nachfolge vorgesehen war
In die Fussstapfen Hafiz’ sollte eigentlich der älteste Sohn, Basil al-Assad, treten. Er war seit seiner Kindheit auf die Nachfolge vorbereitet worden. Genauso wie das syrische Volk: Um dieses auf den angedachten nächsten Führer einzustimmen, soll Hafiz al-Assad sich häufig als «Abu Basil» bezeichnet haben: eine arabische Ehrenbezeichnung, die «Vater von Basil» bedeutet, wie die «New York Times» schrieb. Der 1962 Geborene, zu dessen Hobbys Reiten und schnelles Autofahren zählten, leitete den präsidialen Sicherheitsapparat. Er inszenierte sich bei offiziellen Anlässen oft in kompletter Militäruniform, womit er seine Verbundenheit mit dem Regime und den Streitkräften ausdrückte. Gleichzeitig bekräftigte er seine Ambitionen nach aussen hin.
Doch an die Macht kam er nicht: Basil al-Assad starb am 21. Januar 1994 bei einem Autounfall. Auf nebliger Autobahn sei der designierte Nachfolger gegen eine Barriere gefahren und habe sich dabei mehrmals überschlagen, zitierte die «Associated Press» Personen aus dem Umfeld der Familie. Es soll sofort tot gewesen sein. «Mit tiefer Trauer gibt Präsident Hafiz al-Assad dem Volk den Tod des Majors, Ingenieurs und Fallschirmspringers Basil al-Assad bekannt», hiess es in einer offiziellen Erklärung.
Baschar al-Assad: der Augenarzt ohne politische Ambitionen
An die Stelle seines verunglückten Bruders rückte der drei Jahre jüngere Baschar. Der 1965 Geborene war bis zum Unfalltod Basils den Menschen in Syrien so gut wie unbekannt. Anstelle einer militärischen Ausbildung hatte er sich für eine Karriere in der Medizin entschieden. Er studierte zunächst in Damaskus, später in London. Dort spezialisierte er sich auf Augenmedizin. Dies, weil man präzise arbeiten könne, nie Notfälle habe und wenig Blut fliesse, wie er einmal einer Journalistin erzählte. Frühe Wegbegleiter bezeichnen ihn als ruhig und etwas streberhaft, mit einem leichten Lispeln und einem Faible für westliche Rockmusik und Computer.

Syriens Ex-Diktator Baschar al-Assad war 24 Jahre an der Macht.
IMAGO/SNANach Basils Tod wurde der neue Thronfolger nach Syrien zurückbeordert. Dort durchlief er eine militärische Ausbildung, die vor allem symbolischer Natur gewesen sein soll. So soll Baschar in militärischen Fragen stets auf Berater angewiesen gewesen sein, zu denen auch seine Mutter Anisa gezählt haben soll. Sie galt seit dem Tod ihres Mannes und bis zu ihrem eigenen im Jahr 2016 als Drahtzieherin in Syrien. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2000 wurde Baschar in einem Referendum ohne Gegenkandidaten zum neuen syrischen Staatschef bestimmt. Da er mit 34 Jahren dafür eigentlich noch zu jung war, wurde das Mindestalter kurzerhand von 40 auf 34 herabgesetzt. Al-Assad wurde Präsident und Oberbefehlshaber der syrischen Armee zugleich.
Viele Syrerinnen und Syrer setzten grosse Erwartung in ihn. Er galt als offen und fortschrittlich. Sie hofften, der neue Führer würde die jahrelange Unterdrückung beenden und eine Liberalisierung der Wirtschaft einleiten.
Vom Hoffnungsträger zum gnadenlosen Diktator
Die Hoffnung schien sich zunächst zu erfüllen: Baschar lockerte einige der Restriktionen seines Vaters, trat als Beschützer verschiedener Minderheiten auf und versuchte, Syrien für ausländische Investoren zu öffnen. Doch sein Image als Reformer begann schon bald zu bröckeln:
2001 setzte der sogenannte Damaszener Frühling ein, eine Phase vorsichtiger Liberalisierung, in denen die Menschen in Syrien begannen, politisch aktiv zu werden. Doch die Phase währte nur kurz: Assads Regierung unterdrückte bereits früh Kritiker und liess im Juli 2001 zehn Oppositionelle festnehmen. Im Januar 2002 löste der Damaszener Winter den Frühling ab.
Im Jahr 2005 verfassten oppositionelle Kräfte die «Damaszener Erklärung». Sie forderten einen umfassenden demokratischen Wandel und eine Abkehr vom autoritären politischen System. Al-Assads Regierung schlug auch diese Bewegung nieder.
2011 erreichte der Arabische Frühling Syrien: In friedlichen Demonstrationen wurde erneut ein Wandel gefordert. Doch al-Assad liess die Proteste brutal niederschlagen. Ein Bürgerkrieg brach aus, in dem mehr als eine halbe Million Menschen getötet und die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen wurde. 2013 starben über 1000 Menschen in Syrien durch Giftgasangriffe.
Um sich in dem Bürgerkrieg an der Macht zu halten, suchte Assad nicht nur beim Iran und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon Unterstützung, sondern auch bei Russland. Das Eingreifen Moskaus mit massiven Luftangriffen in Syrien hielt Assad 2015 an der Macht.
Vier Amtszeiten hielt sich Al-Assad im Amt. Seine Herrschaft wurde immer wieder bestätigt. Allerdings wurden diese Referenden nur in von seiner Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten. Menschenrechtsgruppen und westliche Länder warfen al-Assad immer wieder vor, dass die Wahlen weder frei noch fair seien.
Asma al-Assad: Von der «Lady Di des Orients» zur «First Lady der Hölle»
Mit Baschar bekam das syrische Volk nicht nur einen neuen Machthaber, sondern kurz darauf auch eine neue First Lady: Im Dezember 2000 heiratete der Präsident Asma Fawwaz al-Achras, eine syrisch-britische Finanzanalystin. Wann, wie und wo sich die beiden kennengelernt hatten, ist unklar. Auch, ob es sich um eine Liebesheirat handelte.
Für Baschar gab sie ihre Bankkarriere auf und zog nach Syrien. Asma brachte den Glamour in den Staat – und wie ihr Mann zunächst auch Hoffnung. «Paris Match» nannte sie «das Element des Lichts in einem Land voller Schattenzonen» und «Lady Di des Orients». Die «Vogue» bezeichnete sie noch 2011 als «Rose in der Wüste», der Artikel wurde im Jahr darauf wieder vom Netz genommen. Heute ist er nur noch im Archiv zu finden. Denn das Bild, das dort von ihr gezeichnet wurde, passte nicht zu dem, wie ihr Volk sie zunehmend wahrnahm. Die «Wüstenblume» verblühte rasch. 2017 bezeichnete der «Tagesspiegel» Asma al-Assad als «First Lady der Hölle». Wie es dazu kam, erfährst du hier.

Erst angesehen, dann in der Kritik: Asma al-Assad.
IMAGO/Newscom / El PaisMaher al-Assad – der Skrupellose, der auch schon einmal seinem Schwager in den Bauch schoss
Der dritte Sohn ist Mahar al-Assad. Auch er wurde nach dem Tod Basils als möglicher Nachfolger seines Vaters gehandelt. Doch der 1967 Geborene gilt als äusserst impulsiv und skrupellos. Aus Sicht einiger ist das der Hauptgrund, warum er seinem älteren Bruder Baschar den Vortritt lassen musste. In den 1990er-Jahren soll er Asif Schaukat, dem Mann seiner Schwester Buschra und ehemaligen Chef des Militärgeheimdienstes, während eines Streits in den Bauch geschossen haben.
Maher leitete die Eliteeinheit der Präsidentengarde und führte seit 2011 die Niederschlagung des Aufstandes an. Beobachter mutmassten deshalb, dass Baschar nur vordergründig an der Spitze stand. Als Chef des Sicherheitsapparates sei Maher «die Nummer eins und nicht die Nummer zwei», sagte Bassam Bitar, ein ehemaliger syrischer Diplomat, der «New York Times». Mohammed al-Tajeb, ein oppositioneller Aktivist bezeichnete ihn 2023 als «gnadenlosen Schlächter». Er soll auch die Verantwortung für den Einsatz chemischer Waffen tragen. Maher ist mit Manal al-Jadaan verheiratet, einer Sunnitin, mit der er zwei Töchter und einen Sohn hat.
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