Wer ist HTS-Chef Abu Mohammed al-Julani: Hält er sein Versprechen?

Aktualisiert

SyrienWer ist HTS-Chef al-Julani – und hält er sein Versprechen?

Abu Mohammed al-Julani (42) war verbandelt mit Terrororganisationen wie al-Qaida und Islamischer Staat. Jetzt gibt sich der Chef der HTS-Miliz moderater. Ist dem zu trauen?

Abu Mohammed al-Julani: Der HTS-Chef hat seine Kopfbedeckung ...
... mittlerweile gewechselt und gibt sich moderater. Sein Ziel, ...
... den syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu stürzen, hat er nun offenbar erreicht.
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Abu Mohammed al-Julani: Der HTS-Chef hat seine Kopfbedeckung ...

AFP

Darum gehts

  • Abu Mohammed al-Julani, einst Chef der Al-Nusra-Front, ist der Anführer der HTS-Miliz.

  • Er hat sich vom al-Qaida-Ableger zum pragmatischen Führer entwickelt. Trotz moderater Rhetorik und dem Aufbau einer Verwaltung in Idlib werfen Kritiker ihm weiterhin Kriegsverbrechen und brutale Unterdrückung vor.

  • Entsprechend werden Julanis Versprechen, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten, vor allem als taktisches Manöver eingestuft.

Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad war das grosse Ziel von Abu Mohammed al-Julani (42). Am Sonntag drangen seine islamistischen Kämpfer in die Hauptstadt Damaskus ein und erklärten sie «für frei» – 13 Jahre, nachdem Assad Proteste gegen die Regierung im Land mit Gewalt hatte niederschlagen lassen.

Al-Julani ist der Chef von Hajat Tahrir al-Scham (HTS), eines früheren Zweigs des Terrornetzwerks al-Qaida in Syrien. Wer ist der Mann?

  • Sein bürgerlicher Name ist Ahmed Hussein al-Scharaa. Abu Mohammed al-Julani ist ein nom de guerre.

  • Der Kampfname nimmt Bezug auf die Wurzeln seiner Familie auf den Golanhöhen.

  • 1982 in Riad, Saudiarabien, geboren. Dort arbeitete sein syrischer Vater als Ingenieur.

  • Als Siebenjähriger kehrte Julani mit seiner Familie nach Syrien zurück und wächst in Masseh auf, einem gutbetuchten Stadtteil von Damaskus.

  • 2003 schloss er sich der al-Qaida im Irak im Kampf gegen die US-Truppen an.

  • 2006 wurde er nach eigenen Aussagen verhaftet und von den US-Streitkräften fünf Jahre lang festgehalten.

  • Später mit dem Aufbau des al-Qaida-Ablegers in Syrien beauftragt. Die al-Nusra-Front erstarkte in den von der Assad-Opposition kontrollierten Gebieten, insbesondere in Idlib.

  • Julani koordinierte sich dabei zunächst mit IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi.

  • 2013 schwor er dem damaligen al-Qaida-Chef Ayman al-Sawahiri die Treue, statt sich mit der Nusra-Front dem «Islamischen Staat» in Syrien anzuschliessen.

  • In den letzten Jahren versucht er sich öffentlichkeitswirksam an einem Imagewechsel – um sich als Alternative zum Diktator in Damaskus zu präsentieren.

Jahrelang hatte al-Julani im Verborgenen agiert. Heute steht er im Rampenlicht und spricht mit internationalen Medien. Den Turban der Jihadisten, den er noch zu Beginn des syrischen Krieges im Jahr 2011 trug, legte er nach und nach ab – zugunsten einer Militäruniform.

Massaker an Minderheiten

Seit seinem Bruch mit al-Qaida versucht al-Julani, sich ein moderateres Image zuzulegen. Experten und westliche Regierungen überzeugt das nicht. Sie stufen die HTS weiter als Terrorgruppe ein.

Tatsächlich fordert Julani seit einigen Jahren öffentlich, dass in Syrien alle religiösen und ethnischen Minderheiten koexistieren sollen. Daran, dass seine Kämpfer vor zehn Jahren das ganze Land mit Entführungen und Anschlägen terrorisiert hatten – 2015 verübten sie zum Beispiel in Idlib ein Massaker an 20 Bewohnern des drusischen Dorfes Qalb Lawzeh –, will er heute nicht erinnert werden.

Al-Julani habe Westen nicht im Visier

Der Wissenschaftler Thomas Pierret von Frankreichs nationalem Forschungsinstitut CNRS nennt den 42-Jährigen einen «pragmatischen Radikalen». 2014 sei al-Julani auf dem Höhepunkt seiner Radikalität gewesen, sagt der Experte und verweist darauf, dass er sich damals gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) habe durchsetzen wollen. Seitdem habe er «seine Rhetorik gemildert».

Im Mai 2015 gab al-Julani an, dass er im Gegensatz zum IS nicht die Absicht habe, Anschläge gegen den Westen auszuführen.

Bei Assad-Sturz: Keine Rache an Alawiten

Auch erklärte er, dass es im Fall einer Niederlage Assads keine Angriffe aus Rache gegen die alawitische Minderheit geben werde, der Assads Familie entstammt.

Als al-Julani die Verbindungen zu al-Qaida kappt, erklärt er, dies zu tun, um dem Westen keine Gründe zu geben, seine Organisation anzugreifen. Nach Angaben von Nahostexperte Pierret hat er seitdem versucht, sich auf den Weg zu einem «aufstrebenden Staatsmann» zu begeben.

Kriegsverbrechen in Idlib

Im Nordwesten Syriens zwang al-Julani rivalisierenden islamistischen Gruppen im Januar 2017 einen Zusammenschluss mit der HTS auf und beanspruchte damit die Kontrolle über weite Teile der nordwestsyrischen Provinz Idlib. HTS baute in den von ihr kontrollierten Gegenden eine zivile Regierung auf und richtete eine Art Staat in Idlib ein, während sie zugleich ihre Rivalen zerschlug.

HTS wurden in dieser Zeit von Bewohnern und Menschenrechtsgruppen brutales Vorgehen gegen Andersdenkende vorgeworfen – die Vereinten Nationen stufen diese als Kriegsverbrechen ein.

«Ist er völlig aufrichtig? Sicherlich nicht»

Womöglich im Wissen um die Angst und den Hass, den seine Miliz hervorrief, hat al-Julani sich an die Bewohner von Aleppo gerichtet, um ihnen zu versichern, dass ihnen nichts passieren werde. In Aleppo gibt es eine grosse christliche Minderheit. Ausserdem rief er seine Kämpfer dazu auf, die Sicherheit in den nun eingenommenen Gebieten zu gewährleisten.

Das sei zunächst einmal ein politisch gutes Vorgehen, erklärte Aron Lund von der Denkfabrik Century International. «Je weniger Panik auf lokaler und internationaler Ebene herrscht und je mehr al-Julani wie ein verantwortungsbewusster Akteur und nicht wie ein toxischer Jihad-Extremist erscheint, desto einfacher wird seine Aufgabe. Ist er völlig aufrichtig? Sicherlich nicht», sagte er. «Aber es ist das Klügste, was man im Moment sagen und tun kann.»

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